: Glykol panscht Pieroths DDR-Kandidatur
■ Die Staatsanwaltschaft bestätigt einen belastenden Brief / Ex-Mitarbeiter sollte zum Sündenbock gemacht werden / Die Ermittlungen werden offenbar über den Wahltermin in der DDR gerettet
Mainz (taz) - Die Bad Kreuznacher Staatsanwaltschaft will noch diese Woche entscheiden, ob sie nun auch gegen den DDR -Ministerkandidaten und früheren Berliner Senator Elmar Pieroth Ermittlungen einleitet. Behördenchef Helmut Bleh prüft derzeit den Brief des inhaftierten Ex-Pieroth -Betriebschefs, Werner Klopfer, der Pieroth schwer belastet. Der Brief Klopfers, den Bleh bestätigte, datiert vom 6. September 1987. Darin wird Pieroth vorgehalten, er habe den früheren Betriebsleiter Klopfer im Glykolskandal zum Sündenbock machen wollen, um den Namen Pieroth aus dem Weinskandal „draußen zu halten“. Gegenleistung laut Klopfer: „eine Beteiligung von 50 Prozent“ an der Pieroth -Tochterfirma „Niederthäler Hof“. Elmar Pieroth, so Klopfer, habe ferner „falsche Aussagen über seine wahre Rolle innerhalb des Unternehmens gemacht“. Zwar verabschiedete sich Ex-Senator Pieroth offiziell schon 1971 vom Konzern, habe dann aber per Beratervertrag weiterhin in den Pieroth -Geschäften mitgemischt.
Pieroth reagierte auf die im 'Spiegel‘ veröffentlichten Belastungen mit der Drohung, er werde Klopfer wegen Verleumdung verklagen. Juristen halten dies für aussichtlos: Zum einen sei Klopfer nicht dafür verantwortlich, daß der vertrauliche Brief bekannt wurde. Zum anderen hätte Pieroth schon 1987 klagen können, als er den Brief erhielt.
Brisant ist der Brief auch hinsichtlich der skandalträchtigen Ablösung dreier Staatsanwälte im Fall Pieroth. Wie die taz aus der Staatsanwaltschaft Bad Kreuznach erfahren hatte, wurden drei Ermittler gerade in dem Moment vom Dienst suspendiert, als sie noch prüften, ob sie gegen Elmar Pieroth Ermittlungen einleiten müßten. Chefermittler Bleh schloß gegenüber der taz einen Zusammenhang zwischen dem Brief und der Suspendierung als „absurd“ aus. Klopfer dagegen traute in seinem Brief Elmar Pieroth durchaus zu, im Glykolskandal „genau abgestimmt“ Einfluß genommen zu haben.
Der Mainzer Justizminister Peter Caesar (FDP) kann sich an keine derartige Einflußnahme Pieroths erinnern. Nur der inhaftierte Klopfer sei im letzten Jahr in Sachen Glykol bei ihm vorstellig geworden - allerdings ohne Erfolg. Einer der Verteidiger bestätigte, daß es „mehrere“ Versuche gegeben habe, die Justiz bis hin zum Minister zu beeinflussen. Das hätte ihm auch einer der Staatsanwälte bestätigt. Dieser hatte noch vor kurzem immer wieder stolz verkündet, daß all diese Versuche seien zwecklos seien, weil die Ermittler Rückendeckung in Mainz hätten. Aber: Der Staatsanwalt zählt eben zu jenen, die unter ominösen Umständen vom Fall Pieroth suspendiert wurden.
Für Beoabchter blieb offen, ob die Staatsanwaltschaft mit ihren Ermittlungen die DDR-Wahlen abwarten will, um Pieroths Kandidatur als Wirtschaftsminister nicht zu gefährden.
jow
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