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Für „Deutschland“ zu Tode geprügelt

■ Ein angetrunkener Deutscher schlug einen pakistanischen Studenten in einem FU-Institut aus Ausländerhaß brutal zusammen Das Opfer starb einen Monat später im Krankenhaus, der Täter wurde bereits zuvor freigelassen - und hält sich unbehelligt in der DDR auf

Der alltägliche Rassismus in Berlin hat ein neues Todesopfer gefordert. Nach einem ebenso sinnlosen wie brutalen Überfall starb am vergangenen Dienstag im Krankenhaus der pakistanische Student Mahmud Azhar. Der junge Mann war am 7. Januar vor und im FU-Institut für Biochemie von einem angetrunkenen DDR-Bürger zusammengeschlagen worden. Motiv des Täters laut letzter Aussage des Opfers: „Deutschland den Deutschen“.

„Der Unbekannte griff mich tätlich an. In meiner Gegenwehr zog ich mir eine Zerrung an meinem linken Knie zu. Ich spürte starke Schmerzen im Kniebereich und fiel zu Boden. Der Täter schlug mir mit dem Deckel des Feuerlöschers auf meinen Kopf, so daß ich blutete“ - so beschrieb Mahmud Azhar gegenüber dem Anti-Rassismus-Telefon, wie er am 7. Juanuar Opfer eines rassistischen Übergriffs wurde. Mehr als diesen Bericht wollte er nicht in die Öffentlichkeit geben - zu groß war seine Angst vor weiteren Repressalien. Am vergangenen Dienstag starb Azhar wahrscheinlich aufgrund einer Lungenembolie, die er sich durch die lange Bettlägrigkeit im Krankenhaus zugezogen hatte.

Mahmud Azhar, gebürtiger Pakistani, studierte an der FU Biochemie und stand kurz vor seiner Promotion. Als er am 7. Januar gegen 19 Uhr das Institutsgebäude verlassen wollte, wurde er von einem ihm unbekannten Mann - einem DDR-Bürger, wie sich später herausstellte - mit ausländerfeindlichen Parolen wie „Was wollt ihr hier“ und „Deutschland für Deutsche“ beschimpft. Der Unbekannte forderte daraufhin den Ausweis von Mahmud Azhar. Um Unannehmlichkeiten aus dem Weg zu gehen, ging Azhar ins Instutitsgebäude zurück. Doch sein Angreifer verfolgte ihn, und es kam zu oben geschilderten Auseinandersetzung.

Zweimal versuchte Azhar verzweifelt, die Polizei herbeizurufen. Beim erstenmal riß der Täter jedoch das Telefonkabel aus der Wand. Als er das zweite Mal - nach dem Überfall - anrief, bat er die Polizei auch um einen Krankenwagen. Doch laut Polizeibericht kamen die Beamten dann schließlich nicht aufgrund seiner Anrufe, sondern weil ein zufällig vorbeikommender Taxifahrer eine entsprechende Meldung machte - möglicherweise hatte die Polizeinotrufzentrale die beiden Anrufe gar nicht ernstgenommen. Ein Polizeisprecher und die Staatsanwaltschaft konnten darüber auf Anfrage keine Angaben machen - ihnen würden zur Zeit die Akten fehlen. Und auch, welche Beamte in der Notrufzentrale Dienst hatten und welche den Einsatz fuhren, sei nicht mehr zu ermitteln bzw. die Akten lägen dafür zur Zeit nicht vor.

Der Täter wurde noch am Tatort vorübergehend festgenommen. Eine Blutprobe erbrachte einen Alkoholgehalt von 1,75 Promille. Als der Schläger am nächsten Tag ausgenüchtert verhört wurde, konnte er sich angeblich an nichts mehr erinnern. Da zu diesem Zeitpunkt Mahmud Azhar noch lebte, und die Anklage „nur“ auf gefährliche Körperverletzung lauten konnte, wurde der Täter wieder freigelassen - und ist jetzt wieder in der DDR, wo er für die Westberliner Behörden nicht mehr zu erreichen ist. Eine gefährliche Körperverletzung, so der zunächst zuständige Staatsanwalt Lüdtke, sei bei einem Ersttäter kein ausreichender Grund für eine Untersuchungshaft. Und auch die offensichtliche Fluchtgefahr änderte daran nichts.

Wenige Tage später bekam Mahmud Azhar - immer noch im Krankenhaus liegend - ein Schreiben der zuständigen Staatsanwaltschaft, mit der Mitteilung, das Verfahren könne „zur Zeit nicht fortgesetzt werden (...) da der Aufenthalt des Beschuldigten nicht bekannt ist. Fortsetzung auf Seite 22

FORTSETZUNG VON SEITE 21 Falls Sie Kenntnis von seinem Aufenthalt erhalten, bitte ich um Nachricht zu der oben angegebenen Geschäftsnummer.“ Die Behörden hofften wahrscheinlich, den Fall damit routinegemäß zu den Akten legen zu können.

Jetzt, nach dem Tod von Mahmud Azhar, wird das Verfahren möglicherweise wieder aufgenommen. Das fordern nun zumindest die An

gehörigen und Freunde des Opfers. Die Angst vor derartigen Übergriffen ist unter den pakistanischen StudentInnen groß: „Das hätte jeden von uns treffen können.“ Darum sei es jetzt notwendig, daß der Täter bestraft werde und daß klar werde, daß „die nicht alles mit uns machen können“.

Zumindest ist das Verfahren jetzt an die Staatsanwaltschaft I, Kapitalverbrechen abgegeben worden. Ob die Anzeige wegen „gefährlicher Körperverletzung“, die Azhar noch zu Lebzeiten aufgab und die jetzt von

seinen Angehörigen weitergeführt wird, auf „Totschlag“ erweitert wird, hängt von den Ergebnissen einer Obduktion ab, die nun feststellen soll, ob der Tod mittelbar oder unmittelbar durch den Überfall eingetreten ist. Das Ergebnis soll voraussichtlich in einer Woche vorliegen. Wenn die Todesursache unmittelbar mit dem Überfall zusammenhängt, gibt es die Möglichkeit, daß die DDR den Beschuldigten ausliefert oder daß der Täter in der DDR nach dort geltendem Recht bestraft wird.

Rochus Görgen

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