: PCI-betr.: Tagesthema: "Vor- oder Nachhut der Eurolinken" u.a., taz vom 7.3.90
betr.: Tagesthema: „Vor- oder Nachhut der Eurolinken“ u.a., taz vom 7.3.90
Hinsichtlich der veröffentlichten Artikel finde ich, daß die beiden Dokumentationen und die Reportage von Werner Raith ausgesprochen oberflächlich bearbeitet wurden im Vergleich zur Frage. Ich erspare mir jeden Kommentar zur Wahl der Fotos: der unvermeidliche Spaghettikoch neben einem Foto von Ochetto!
Die Geschichte der PCI ist charakterisiert vom dreifachen Spiel: a) seiner Autonomie hinsichtlich des sowjietischen Blockes, b) von der Dominanz der Tradition Gramscis, die einen nationalen Hintergrund für die kommunistische Alternative theoretisierte, c) und vom politischen Ansatz Berlinguers auf der Suche eines „dritten Weges“ jenseits des Stalinismus-Kapitalismus.
Die Emanzipation vom stalinistischen Dogmatismus hat, meines Erachtens die geschichtliche Vorwegnahme des italienischen Marxismus gezeigt, im Unterschied zu orthodoxen Merkmalen anderer kommunistischer Parteien Europas. Das, was statt dessen jetzt auf dem Spiel steht in der Debatte in Bologna, ist auch die Befreiung vom zweiten Punkt: nämlich von der Idee Gramscis des „organischen Intellektuellen“ der Partei und seiner rigorosen Treue am Hegel/Marx corpus doctrinae. Der PCI-Intellektuelle sucht mit anderen Worten eine europäische Staatsangehörigkeit mehr als eine nationale, das heißt einen Dialog mit jenen sozialdemokratischen Traditionen, die aus dem Blickfeld der Partei und seiner Verlage fielen.
Es ist also nicht zufällig, wenn die Repräsentanten der „versunkenen Linken“ von S.Veca, M.Cacciari bis zu G.Vattimo - heute mit der konkreten Suche nach einer neuen Verfassung der Partei beschäftigt - wirklich die gewesen sind, die in der linken Zone Italiens Gegenstimmen und Ideen Hegels getragen haben.
Vattimo hat die Diskussion Nietzsches wieder aufgenommen über die „Maske und das Subjekt“ zusammen mit der Heideggers über das „Schicksal des Seins“. Cacciari hat die mitteleuropäische Kultur rehabilitiert von Kafka bis Loss, von Wittgenstein bis Kraus. Es erscheint eigenartig, aber es ist so: Die Emanzipation der PCI von der Philosophie der Geschichte Gramscis und Hegels, die heute in Bologna inszeniert wird, beginnt wieder einen deutschen Rahmen zu bekommen; diesmal aber von der Provenienz Heideggers.
Die Intellektuellen der PCI essen offensichtlich nicht nur Spaghetti: Q.E.D.
Stefano Vastano, Berlin
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