: „Schlittenhundrennen macht süchtig“
Quer durch Alaska, von Anchorage nach Nome, geht das härteste Schlittenhundrennen der Welt Ein ausgewanderter Schwarzwälder will den rund 2.000 km langen Iditarod-Trail mitfahren ■ Von Ulf Biber
„Ich habe noch nie soviel Geld gemacht wie im Moment“, sagt Sepp Herrmann aus Zell am Hammersbach; und trotzdem ist er „froh, daß das jetzt bald rum ist“. Über Wochen hinweg hat er fast täglich Vorträge gehalten und damit die Säle in Freiburg und der weiteren Umgebung gefüllt.
Erzählt hat er dabei immer die gleiche Geschichte: Die Geschichte von einem, der vor mehr als zehn Jahren aus einem badischen Dorf auszog, um in der Wildnis Alaskas die Abenteuer des Überlebens zu bestehen. Und vom Freak bis zum gutsituierten Bürger schlagen die Herzen höher, wenn er berichtet und mit Dias illustriert, wie alles mit großen Wanderungen begann und wie er jetzt, lange schon, Winter um Winter in seiner selbstgebauten Blockhütte verbringt, die fernab jeder Zivilisation noch oberhalb des nördlichen Polarkreises liegt.
Bilder von den eigenen Brotprodukten, der Bericht vom mit der Rasierklinge selbst entfernten faulenden Fleisch am eigenen Zeh, die Begegnung mit dem Grizzly, die Jagd auf den Elch - Sepp Herrmann versteht sich auf die Ingredienzen, mit denen er die Sehnsüchte seiner zivilisationsgeplagten Zuhörer nach authentischer Erfahrung so richtig in Wallung bringen kann.
Die ungewohnten Entbehrungen dieser Vorträge hat er auf sich genommen, um sich einen Traum zu erfüllen, der ihn umtreibt, seit er zum ersten Mal in Alaska gewesen ist. Nächstes Jahr will Sepp Herrmann am Iditarod teilnehmen, dem längsten und härtesten Schlittenhundrennen der Welt. Eine rund 2.000 Kilometer lange Strecke ist dabei zu bewältigen, die vom an der Südküste gelegenen Anchorage quer durch Alaska nach Nome am Beringmeer führt.
Gelaufen wird dieses Rennen seit 1973 zu Ehren jener Helfer, die sich 1925 zum ersten Mal auf den Trail gemacht hatten, um Diphterie-Serum nach Nome zu bringen. Es geht um eine Siegprämie von 50.000 Dollar, und rund 80 Musher, so werden die Gespannführer genannt, gehen hier alljährlich im März an den Start, um sich dann zwischen zwölf und fünfzehn Tage lang über gefrorene Hochmoore durch die Alaska -Kette, über den Yukon und an der Beringsee entlang ans Ziel zu kämpfen.
Die Besten von ihnen sind Profis, die, von Hundefutter -Konzernen gesponsert, für Vorbereitung und Rennen mehr ausgeben, als sie an Preisgeld gewinnen können. Sepp Herrmann wäre zufrieden, wenn er bei seiner ersten Teilnahme das Ziel erreichen würde, ein Platz unter den ersten zwanzig ist sein Traum. „Wenn du die 1.200 Dollar Startgeld zusammenhast, nimmst du noch ein paar Restaurant-Mülleimer zum Füttern der Hunde, und dann geht es los.“
Daß sich der Mitdreißiger für seine dritte Teilnahme an einem Hundeschlittenrennen gleich den Iditarod vorgenommen hat, ist kein Größenwahn. Die Art, wie der Schwarzwälder in Alaska lebt, prädestiniert ihn und seine Hunde für Long -distance-Rennen. Die Hunde sind für ihn Arbeitstiere. Wenn er von Ende Oktober bis weit ins Frühjahr in seiner Blockhütte in den Brooksbergen, 200 Kilometer über dem Polarkreis und 80 Kilometer von der nächsten Straße entfernt, lebt, braucht er sie zum Holz- und Wasserholen. Und zweimal in der Woche kontrolliert er mit ihnen seinen Fallen, 240 Kilometer hin und zurück.
Vier Hunde besitzt Herrmann derzeit, einen oder zwei will er sich noch kaufen, den Rest wird er für den Iditarod, wo in den größten Gespannen bis zu zwanzig Hunde laufen, leihen und über den Sommer hinweg trainieren. Schwierigkeiten wird er damit keine haben, denn in den zwei Rennen, die er bisher bestritt, hat er sich bereits einen Ruf als Ausbilder von Leithunden erworben.
Seine Erklärung dafür ist einfach. Während bei den Profis, die oft gleichzeitig Züchter sind und bis zu 150 Hunde im Zwinger haben, die Ausbildung sehr unpersönlich verläuft, kann er sich viel mehr Zeit nehmen. „Im Winter im Blockhaus habe ich jeden Abend einen zu mir hereingenommen. Du kannst damit ein Verhältnis aufbauen.“
Die Leithunde bestimmen die Klasse des Gespanns entscheidend mit. Nicht nur, weil sie mit die schnellsten sind und die Aufgabe haben, die Schnur zum Schlitten immer gespannt zu halten, damit sich die hinter ihnen laufenden Hunde nicht verfangen. Sie müssen auch ohne Zögern auf die Zurufe „ready“, „okay“, „easy“, „how“ oder „chee“ reagieren, um den Schlitten loszuziehen, die Fahrt zu verlangsamen und nach rechts oder links abzubiegen. „Mit einem guten Gespann“, erzählt Sepp Herrmann, „kannst du auf einem zugefrorenen und verschneiten See ohne Probleme deinen Namen in den Schnee schreiben.“
Leithunde auf dem Weg
zur Sauna
Mit den Vorbereitungen für den Iditarod will Herrmann im Sommer beginnen. Außer daß er sehr viel mehr Hundefutter als sonst zur Hütte schaffen muß - rund eineinhalb Tonnen einer eigens abgestimmten Nahrung, die etwa 6.000 D-Mark kosten wird, werden die dann fünfzehn Hunde fressen -, sollen sie seinen gewohnten Lebensablauf nicht wesentlich verändern. Im Sommer will er zusammen mit seiner Freundin eine Sauna bauen. Die Hunde sollen helfen, die Baumstämme zur Hütte zu schleppen, und nebenher will er drei oder vier zu Leithunden ausbilden.
Ende Oktober, wenn genug Schnee liegt, will er mit dem gesamten Gespann neben der täglichen Arbeit auch „in harte Gegenden, wo es richtig bläst“. Auf dem blanken Eis eines zugefrorenen Sees laufen zu müssen, während es stürmt und der Schnee weggetrieben wird, ist auch für einen hartgesottenen Schlittenhund kein Spaß mehr. „Beim erstenmal kriegen die da echte Panik, weil sie ja auch selber abgetrieben werden. Und dann zum Beispiel im Zickzack gegen den Sturm anzulaufen, ist eine Sache, die man nur nach und nach einüben kann.
Auch wenn alles gut geht, wird Sepp Herrmann beim nächsten Iditarod nur hinter den Profis herfahren können, die sich von Flugzeugen begleiten lassen, um immer über den Rennverlauf informiert zu sein. Er wird auch keine Werbung für Futtermittel am Schlitten haben, und an den Checkpoints werden für sein Gespann keine Rationen für zwei bis drei Tage bereitliegen, falls ein Schneesturm die Weiterfahrt verhindert.
Daß er danach wieder pleite sein wird, ist ihm egal. „Dann ess‘ ich halt erst mal wieder Bohnen, und die Hunde kriegen Lachs und Reis.“ Auf die Frage, ob er sich dann auch damit zufriedengeben wird, seinen Traum von der Teilnahme am Iditarod erfüllt zu haben, wird er unsicher. „Ich muß schon aufpassen, daß ich da nicht reinrutsche. Denn vieles an diesem Spektakel ist auch ziemlich kaputt. Da werden unnötig und künstlich Hunde gezüchtet, oder die Profis verfüttern Unmengen von erstklassigem Fleisch und Lachs an die Hunde, obwohl das eigentlich verboten ist.“
Trotz dieser Begleiterscheinungen weiß Sepp Herrmann um die Bedeutung des Satzes, den in Alaska jeder kennt: „Schlittenhundrennen macht süchtig.“ Und wenn er ins Schwärmen gerät, besteht kein Zweifel, ihn hat's schon voll erwischt.
„Es ist ein unglaubliches Gefühl, mit einem schönen Gespann lautlos durch den Wald zu fahren - das ist wie Ballett. Und wenn du lange mit einem Gespann zusammen bist, behandeln dich die Hunde, wie wenn du ein anderes Wesen in ihrem Team wärst, die akzeptieren dich als anderen Hund, als Super -Hund. Du bist der wichtigste Hund.“
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