: Massenflucht von Rumänen
■ 5.000 Rumänen kamen in der Nacht nach Österreich / EinwohnerInnen des Burgenlandes blockieren mit ihren Autos die Straßen zum Flüchtlingslager / 35.000 Rumänen warten / Die Grenze ist fast vollständig geschlossen
Eisenstadt/Wien (ap) - Die um Mitternacht in Kraft tretende Visumpflicht für rumänische StaatsbürgerInnen hat am Mittwoch einen Massenansturm nach Österreich ausgelöst. Die ungarisch-österreichische Grenze, die im vergangenen Sommer von Tausenden DDR-BürgerInnen zur Flucht in den Westen genutzt worden war, wurde nach Angaben der burgenländischen Sicherheitsdirektion für Rumänen fast völlig geschlossen. Mit Fahrzeugen aller Art blockierten BürgerInnen die Straßen zum größten Flüchtlingslager in Traiskirchen bei Wien.
In der Nacht zum Donnerstag wurde eine illegale Flucht von inzwischen mehr als 35.000 Rumänen, die sich auf ungarischer Seite im Grenzgebiet sammelten, befürchtet. Alle verfügbaren Polizisten wurden in das Grenzgebiet beordert, teilte die Sicherheitsdirektion mit. In der Nacht zum Mittwoch erreichten etwa 5.000 Rumänen österreichisches Staatsgebiet. Sie waren auf dem Weg ins Lager Traiskirchen, dessen Aufnahmekapazität jedoch erschöpft ist. Die Behörden in Traiskirchen riegelten das Lager ab. Starke Polizeikräfte wurden zusammengezogen und die Bevölkerung folgte einem Aufruf des Bürgermeisteramtes zur Blockade der Zufahrtstraßen. „Das Boot in Traiskirchen ist übervoll“, erklärte das Amt. Eine Flüchtlingsdebatte im Wiener Nationalrat mußte nach Tumulten unterbrochen werden.
Vor allem die burgenländischen Grenzübergänge bei Nickelsdorf und Klingenbach waren hoffnungslos überlastet. Der burgenländische Sicherheitsdirektor Johann Schoretits teilte mit, er habe aus anderen Bundesländern Hilfe angefordert. Er bestätigte, daß seit dem Vormittag nur noch Rumänen die Einreise gestattet wurde, die über Geldmittel für mindestens 14 Tage oder ein Anschlußvisum für ein anderes Land verfügten. Die Behörden befürchteten, daß die Rumänen, die nicht über die notwendigen 5.000 Schilling (etwa 700 Mark) verfügten, die illegale Grenzüberquerung versuchen würden. Die Polizei wies darauf hin, daß Ungarn der Genfer Flüchtlingskonvention beigetreten sei. Nach den gesetzlichen Bestimmungen wird Rumänen, die zuvor durch ein anderes mögliches Asylland gereist sind, die Einreise nicht mehr gestattet. Anders als bei der Fluchtbewegung der DDR -BürgerInnen war mit starkem österreichischem Polizeieinsatz zu rechnen. 1989 hatten die österreichischen Behörden und die Bevölkerung den DDR-Flüchtlingen, die alle in die Bundesrepublik weiterreisten, großzügig geholfen. Die ungarischen Grenztruppen hatten über Wochen versucht, die Fluchtbewegung zu stoppen. Bei den Rumänen sind nach Ansicht von BeobachterInnen die Ungarn jedoch eher an der Ermöglichung der Flucht interessiert, während Österreich die Grenzen „dicht“ machen wird.
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