Vaterrolle vorwärts - rückwärts

■ Die „Neuen Väter“ sind im Kommen. Sie fordern mehr Rechte an ihren Kindern, holen jedoch auf der Pflichtseite nichts auf. Auf einer Tagung der Evangelischen Akademie in Iserlohn stritten die „Neuen Väter“ mit den Müttern.

Mißtrauen, Bewunderung, Neid für die Väteraktivisten“ spürt Marlene Stein-Hilbers, Frauenforscherin an der Universität Bielefeld. Haben es doch Männergruppen wie der Kölner „Väteraufbruch für Kinder“, das Düsseldorfer „Männerbüro“, „Dialog“ oder auch die traditionelleren „Chefarzt„-Verbände angeblich Unterhaltsgeschädigter geschafft, ein Medienereignis erster Güte zu werden. Allein in den letzten sechs Wochen kamen in zig Hörfunksendungen des WDR erziehende, hausarbeitende, unterhaltszahlende und geschädigte Väter zu Wort. Das Thema „Kinder und Väter“ wurde von A (wie Alimente) bis Z (wie Zoo) verhandelt.

Könnte es denn sein, daß sich wirklich etwas tut? Daß Männer tatsächlich mehr erziehen, häufiger halbtags berufstätig sind, mehr aufräumen und ihre Kinder zum Gymnastikstudio kutschieren? Könnte es sein, daß weniger Väter Unterhaltszahlungen verweigern, Mädchen sexuell mißbrauchen und ihre Aggressionen ohne Gewalt in den Familien ausleben?

Am vergangenen Wochenende ging es zu diesem Thema auf einer Tagung der Evangelischen Akademie in Iserlohn heiß her. Gleich zu Beginn gerieten Barbara Elias-Bombach, Koordinatorin der 27 nordrhein-westfälischen Mütterzentren, und Vertreter des Düsseldorfer „Männerbüros“ heftig aneinander. Die Väter schilderten rührend ihre persönliche Lebenssituation: Streitereien ums Sorgerecht, Herausgerissensein aus der bisherigen Familie, mühsames Erlernen des Vaterseins und der Hausarbeit („Nach meiner Scheidung habe ich waschen und kochen gelernt“). Sie beklagten die Beaufsichtigung durch Jugendämter und das Unverständnis der Umwelt, die ihnen einfach nicht zutraut, Kinder zu erziehen. „Kein Wunder“, setzte Barbara Elias -Bomberg dagegen. „Wo sind sie denn, die konkreten Ansätze, im Beruf zurückzustecken und den Haushalt partnerschaftlich zu erledigen?! Ich kenne nur Mütter, die sich über die Abwesenheit, die Ungeschicklichkeit, die fehlende Verantwortung und die Gewalt der Männer beklagen.“ Das paßte den Männerrechtlern nicht. Es hagelte Zwischenrufe und Bemerkungen wie: „Sie sind aber sehr verbittert!“, „Schwachsinn!“ Ruf nach mehr Rechten

„92 Prozent aller Männer fühlen sich durch Hausarbeit nicht belastet.“ Diese vielzitierte Aussage der „Brigitte-Studie“ von 1986 ließ sich auch von den Männerrechtlern nicht wegjammern. Ilse Ridder-Melchers, nordrhein-westfälische Gleichstellungsbeauftragte, machte das Mißverhältnis zwischen Anspruch und Realitäten noch mal deutlich. Jeder siebte Mann ist zwar dafür, Hausarbeit paritätisch zu teilen, aber nur jeder fünfzigste setzt dieses Vorhaben auch in die Tat um. Frauen wenden durchschnittlich, wenn sie berufstätig sind, drei Stunden pro Tag für Haus und Kinder auf, Männer dagegen nur eine Stunde und zwölf Minuten. Vierzig Prozent aller Männer leisten überhaupt keine Hausarbeit.1

Selbst Erziehungsarbeit auf Zeit schmeckt den angeblich so neuen Vätern nicht: Nur 1,3 Prozent aller EmpfängerInnen von Erziehungsgeld sind Männer.

Nur jede dritte ledige Mutter kann ihr Budget durch Unterhaltszahlungen aufbessern, bei den Geschiedenen ist es knapp jede zweite. Und ganz selten deckt der Unterhalt die Hälfte der tatsächlichen Kosten für die Kinder. 93 Prozent der Teilzeitarbeitenden sind Frauen; und die meisten entscheiden sich wegen der Kinder dazu. Wenn Männer auf Teilzeit gehen, dann meist, weil sie keine Vollzeitstelle bekommen können. Wenn die Mutter berufstätig ist, wird nur jedes 17. Kind von seinem Vater betreut.1

Doch die neuen Väter, die sich hier lauthals zu Wort meldeten, sich mit den Frauen stritten, sind keine Fata Morgana. Denn der Neue-Vater-Typ schreit unüberhörbar nach neuen Rechten. Marlene Stein-Hilbers monierte: „Die Männer rufen nach immer mehr Rechten, ohne auf der Pflichtenseite aufzuholen.“ Das Wohl des Kindes?

Im Zentrum der Gesetzesdiskussionen steht derzeit ein Gesetzentwurf aus dem Bundesjustizministerium, der im Mai nach der dritten Lesung verabschiedet werden soll: das „Nichtehelichen-Umgangsgesetz“. In einer wortreichen Begründung zum Entwurf erläutert Minister Engelhard, daß sich die gesellschaftlichen Verhältnisse so gewandelt hätten, daß auch Väterrechte an nicht-ehelichen Kindern gestärkt werden müßten. Die Wandlung sieht er in der gestiegenen Zahl nichtehelicher Lebensgemeinschaften; auf die gleichgebliebene Arbeitsteilung innerhalb dieser Lebensgemeinschaften geht er mit keinem Wort ein. Der Gesetzentwurf selbst ist kurz und dürr: 1.) Der Mutter wird auferlegt, zu beweisen, daß die Vater-Besuche ihrem Kind schaden. 2.) Ein solches Gerichtsverfahren kann bis zum Bundesgerichtshof durchgefochten werden. Bisher kann ein nicht-ehelicher Vater vor das Vormundschaftsgericht ziehen und verlangen, sein Kind zu sehen. Er muß aber beweisen, daß das Kind von seinen Besuchen Vorteile hat. Das Wohl des Kindes ist also nach bisherigem Recht durchaus gesichert; denn wenn die Vaterbesuche dem Kind nichts bringen - warum sollte er es dann sehen dürfen?

Es dreht sich bei diesem Gesetzentwurf also nicht um Kinderrechte, sondern darum, das Gerichtsverfahren vaterfreundlich zu gestalten. Der Vater braucht nur zu sagen: „Ich will mein Kind sehen.“ Und kann in Ruhe abwarten, wie (un)geschickt sich die Mutter im rechtlichen Dschungel aufführt. Sie muß sich wehren, eine teure Rechtsanwältin nehmen, den Psychostreß aushalten - und das unter Umständen über mehrere Jahre, bis die letzte Instanz endlich entschieden hat.

Auch in anderen Bereichen gibt es Ansätze, an den Anrechten der Mütter zu knabbern. Denken wir nur an Versuche, potentiellen Vätern Entscheidung über einen Schwangerschaftsabbruch zuzusprechen - notfalls gegen den Willen ihrer Frau oder „Freundin“. Oder an die Zunahme der Sorgerechtsentscheidungen zugunsten der Väter. Der Ruf einiger Väter nach mehr Rechten verhallt also nicht ungehört. Aber damit ist noch nicht die Frage beantwortet, warum all dies gerade jetzt passiert. Es geht um das alte Vaterrecht

Stein-Hilbers erklärt sich diese Gegenläufigkeit u.a. mit der allgemeinen Wertelosigkeit moderner Gesellschaften. Kinder wirkten eben sinnstiftend; der Yuppie weiß wieder, wofür er sich so verausgabt.

Im 19.Jahrhundert hatte der Vater zwar die Gewalt über Frau und Kinder, mischte sich aber in das eigentliche Familienleben nicht ein. In zwischenmenschlichen und fürsorgerischen Fragen wird er bis heute als wenig kompetent angesehen, resümierten die ReferentInnen einhellig. Dieses Gleichgewicht zwischen innerer und äußerer Herrschaft wurde durch die Frauenbewegung in Frage gestellt und mehr und mehr beseitigt. Die Reform des Nichtehelichenrechts gab zu Beginn der siebziger Jahre den ledigen Müttern erstmals eigene Erziehungsrechte an ihren Kindern, obwohl Vater Staat ihnen auch heute noch einen Amtspfleger „zur Seite“ stellt. Ehescheidungs- und Abtreibungsreform versuchten, Frauen in den Familien den Männern annähernd gleichzustellen. Den Vätern drohte also, ihr bisheriges Standbein - die Gewalt über ihre Familie - verloren zu gehen. Barbara Elias-Bomberg spürt diese Entwicklung täglich im Mütterzentrum: „Die Mütter haben keine Lust mehr, ihre Männer umzuerziehen. Und jetzt merken die Väter, daß sie nicht mehr gefragt werden.“ Das wollen sie sich nicht gefallenlassen. Also verlangen sie neue Gesetze. Diese historische Sicht macht deutlich, daß Gruppennamen wie „Väteraufbruch für Kinder“ lügenhaftes Machwerk sind. Es geht nicht ums Kindeswohl, sondern um das alte Vaterrecht.

Carola Schewe

1) Zahlen entnommen aus dem dritten Familienbericht der Landesregierung von NRW, vorgelegt im Januar 1990.