: DDR von links
Artikel für linkshänder keine Scherzartikel ■ Mit der ANDEREN HAND auf du und du
Neun Uhr morgens. Während die Leipziger Messe langsam erwacht, drängen sich vor dem wohnzimmergroßen Stand des Linkshand Artikel Vertriebs bereits gut 30 neugierige Besucher. Das erste Gelächter und ungläubige Kopfschütteln weicht schnell gezielten Fragen nach den rund 500 Produkten, die vom Bummerang bis zur gewöhnlichen Haushaltsschere für Linkshänder reichen. Das niedersächsische Großhandelsunternehmen, das sich zum ersten Mal in Leipzig präsentiert, erobert den DDR-Markt im wahrsten Sinne des Wortes mit links.
Eine Reihe von Einzelhandelskombinaten - darunter auch ein großes Leipziger Kaufhaus - haben bereits ihr Interesse an den für die DDR völlig neuen Produkten angemeldet. Denn in der Planwirtschaft des Arbeiter- und Bauernstaates war bislang trotz der enormen Nachfrage nur ein Linkshänderfüller zu haben. „Sobald die Währungsunion verwirklicht ist, haben wir in der DDR einen enormen Markt“, freut sich die Inhaberin Luise Däumler, die während der ersten Messetage bereits ihren gesamten Stand gegen harte D -Mark an Privatverbraucher hätte verkaufen können. Da immer weniger Kinder zu Rechtshändern umerzogen werden, rechnet die Unternehmerin, die selbst Linkshänderin ist, mit einer Expansion, die eine Preissenkung um bis zu 15 Prozent auf das Niveau der Rechtshänderprodukte erlaubt. Hauptsache ist aber auch für die DDR-Partner die Qualität. Renner sind auch bei den Kombinaten Scheren und Dosenöffner, die Luise Däumler selbst anfertigen läßt, wenn ihr das gängige Angebot nicht gefällt. Große Chancen hätten in der DDR auch Werkzeuge für die Industrieproduktion oder Nähmaschinen für Linkshänder, die wegen zu hoher Stückkosten jedoch weltweit noch nicht hergestellt werden. Nach dem unerwarteten Erfolg will Luise Däumler ihren Linkshänderstand fest auf der Leipziger Frühjahrsmesse etablieren.
„Zwar muß ich auch bei den Kombinatsvertretern eine Menge Aufklärungsarbeit leisten, aber das Publikum hier ist viel aufgeschlossener und sachverständiger als in der Bundesrepublik, wo unsere Exponate eher als Scherzartikel betrachtet werden“, lobt sie.
Katja Rietzler
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