: DAS GEPROPRO
■ Unser endgültiges Wahlhilfeprogramm
Und wieder versteht es die Berlin-Kultur, angemessen mit
historischen Stunden umzugehen, noch bevor diese überhaupt geschlagen wurden: Wir baten unsere VorortreporterInnen
ebendort, das heißt in Ost-Berlin und seinen Sub-Urbs, das Wahlbeteiligungsverhalten zu beobachten. Weder Kosten noch Mühen scheuend, haben wir uns zu diesem Zwecke zu einem
außerordentlichen Unternehmen von säuberndem Journalismus
entschlossen.
Es wurde in diesen Tagen und Wochen von westlichen
Mutterlands-Vaterlandspolitikern einhellig immer wieder
eines beklagt: Die DDR ist - infolge beklagenswerter
vierzigjähriger außerordentlicher Umstände - nicht im Besitz von politischer Kultur. Und dieser Mangel hängt
selbstverständlich mit jenem anderen Grundmangel zusammen: Die DDR hat keine Demokratieerfahrung.
Da nun springt unser GeProPro ein, das Generalprobenprojekt. Damit am 18. März keine Pannen passieren - die DDR
-BürgerInnen wissen ja leider nicht, wie ein zünftiger
Wahlsonntag zu begehen ist - wurde dieser von uns einer
Generalprobe zur Wahlrezeption unterzogen. Schließlich darf die Geburt einer Demokratie nicht zu einer Fehlgeburt
werden.
Unsere KorrespondentInnen haben sich also nach draußen
begeben, zu BürgerInnen dieses (demnächst) unseres Landes. Und diese haben, gewissermaßen unter unserer beobachtend
-therapeutischen Leitung, Wahlsonntag geübt. Erst einmal
galt es, den demokratischen Unterschied zwischen den Medien: Umfragen, Prognosen, Hochrechnungen und Wahlergebnissen
begreiflich zu machen. Waren für die EinheitsstaatlerInnen bislang alle vier von medieneinflußfreier einheitlicher
Achtundneunzigprozenthaftigkeit, so haben ab jetzt Prognosen und Ergebnisse nichts miteinander zu tun. Es wurden weiter Motivierungsschritte gegen abstinentes Verhalten
eingeleitet; denn Wahlemotionen - die Begeisterung am
Fernseher - sind der Grundpfeiler der Demokratie. Es mußte außerdem den DDR-BürgerInnen klargemacht werden, daß in
einer Demokratie Politik und Korruption zusammengehören.
Deshalb geht es nicht an, einzelne Personen zu diffamieren oder gar anzuklagen. Was früher in der DDR verboten war
einen Politiker der Korruption zu verdächtigen - ist heute zwar erlaubt; aber das tut man nicht, da sonst die gesamte demokratische politische Kultur zugrunde ginge.
Des weiteren ging es um die Bearbeitung der alten Ohnemichel -Haltung: Mit der Wahl will ich nichts zu tun haben, das
sind doch alles Lügner und Verbrecher. So geht es nicht!
Mitmachen und Erregung gehören einfach zum Wesen der
Demokratie!
In diesem Sinne hoffen wir, unser Teil zum Gelingen einer
schönen deutschen Geburt beizutragen.
GUTEN FLUTSCH!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen