: Bonn appart: Ist die DDR Ausland?
■ Das ZDF tut sich mit den Gästen für die Bonner Runde zur Volkskammerwahl schwer
Dialektik ist, wenn wenn man die Argumente gerade so hinbiegt, wie sie in den Kram passen. Diesen Eindruck gewinnt man beim ZDF, wenn man den Streit der Grünen um die Besetzung der Bonner Runde nach der DDR-Volkskammerwahl am morgigen Sonntag verfolgt. Eingeladen wurden dazu die Vorsitzenden der im Bundestag vertretenen Parteien - was die Grünen „einigermaßen erstaunte“.
Für die Grünen ist dies nur ein weiterer Affront nach der unverblümten Einmischung der westdeutschen Politiker in den Wahlkampf eines selbständigen Landes. Sie nominierten deshalb Ina Merkel, die Sprecherin des unabhängigen Frauenverbands der DDR.
Doch dazu wird es nicht kommen - eine „ausschließlich journalistische Entscheidung“, wie das ZDF versichert. Und weiter: Man könne nicht „Vertreter anderer Parteien, schon gar nicht Vertreter von Parteien anderer Staaten in dieser Sendung akzeptieren“.
Diese krude Logik wollten die Grünen nicht akzeptieren und wiesen darauf hin, daß es eine Bonner Runde nach Parlamentswahlen anderer Staaten noch nie gegeben habe. „Offenbar findet diese Bonner Runde ja gerade deshalb statt, weil man die DDR eben nicht als Ausland begreift“, schrieb die Pressesprecherin der Grünen, Anne Nilges, an das ZDF: „Wenn wir nun aber eine Vertreterin dieses Landes für die Bonner Runde benennen, dann übernehmen sie plötzlich unsere Argumentation und sehen in Frau Dr.Merkel die Repräsentantin eines anderen Staates.“
Auch von anderer Seite steht das ZDF unter Druck: der FDP -Chef Lamdsdorff, der SPD-Oppositionsführer Vogel und der CSU-Vorsitzende Waigel wollen sich am Wahlabend nicht in Bonn, sondern in Ost-Berlin aufhalten. Lamdsdorff: Dort spielt die Musik. Eine Zuschaltung per Standleitung aus der gerade von den Grünen als „Ausland“ definierten DDR aber wollte die ZDF-Leitung nicht zulassen. Da bleiben wir ganz hart, heißt es von oben.
Weiter unten hört sich das anders an: Wir haben ein „Wahnsinnstheater“ und „hängen absolut in der Luft“. Die „einfachste Lösung“ wäre, die Politikerrunde einfach nach Ost-Berlin zu verlegen. Doch da ist Bundeskanzler Kohl vor, der die Bundeshauptstadt partout nicht verlassen will. Erwartet er nichts vom morgigen Wahltag?
Bei der Vorstellung, am Sonntag abend mit Kohl solo und drei Monitoren im Studio zu sitzen, graust es den Fernsehmachern bereits. Vielleicht sollten wir als Alternative einen Spielfilm einplanen, grübelte am Freitag bereits ein Mitarbeiter. Aber was wollen wir wetten: am Sonntag abend werden sie uns allesamt wieder entgegengrinsen, auch aus dem „Ausland“ - außer Ina Merkel natürlich.
Gerd Nowakowski
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