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Prager Streit um deutsche Frage

■ Dissens im Warschauer Pakt um Nato-Mitgliedschaft

Die Konferenz der Warschauer-Pakt-Staaten in Prag endete in einem offenen Dissens über die Nato-Mitgliedschaft eines vereinigten Deutschlands, allerdings: nur die Sowjetunion war strikt gegen diese Mitgliedschaft. Polens Außenminister Skubiszewski forderte im Falle der Nato-Integration der DDR Garantien. Ungarn und die CSSR ließen erkennen, daß eine Neutralität Deutschlands die schlechteste Lösung wäre. Ihr Argument: Nur die militärische Integration gewährleiste eine militärische Kontrolle.

Das Kommunique der Tagung war in kühlem Ton gehalten. Schewardnadse ließ verbreiten, das Kernproblem der deutschen Einheit bestehe in der Durchsetzung drastischer Abrüstungsschritte und rein defensiver Verteidigungskonzepte. Damit deutete er eine sowjetische Rückzugslinie für den Fall an, daß Abkommen über eine weitere Demilitarisierung Deutschlands im Rahmen der Nato getroffen werden. Genauere Zahlen wurden weder genannt noch geflüstert.

CSSR-Außenminister Dienstbier lancierte das Projekt einer gesamteuropäischen Sicherheitskommission mit Sitz in Prag. Er kritisierte, daß nach wie vor das Denken in den Kategorien des militärischen Gleichgewichts vorherrsche. Wollte man einen Schritt weitergehen, dann müsse man die friedenspolitischen Absichtserklärungen in den verschiedenen KSZE-Dokumenten in ein Abkommen mit Hand und Fuß überführen.

In einem solchen Abkommen müßten Mechanismen gegenseitiger Hilfeleistungen im Falle eines Angriffes enthalten sein und eine eindeutige Definition des Agressors müsse gegeben werden. Die Kommission könnte aufgrund eines solchen Abkommens als Konsultations- und Kontrollgremium wirken, sie sollte einen kleinen, aber effektiven Stab haben, ihr Sitz sollte Prag sein. Die Militärpakte, die jetzt schon zunehmend politischen Charakter annehmen, könnten sich dann schrittweise auflösen. Die Kommission sollte eine Einrichtung der UNO sein - ähnlich wie die schon bestehende UN-Wirtschaftskommission für Europa.

Dienstbier und Skubiszewski, die allein die Pressekonferenz bestritten, rechneten damit, daß die militärischen Probleme der deutschen Einheit auf der Wiener Abrüstungskonferenz noch in diesem Herbst gelöst werden könnten. Es sei an Deutschland, durch eigene einschneidende Abrüstungsinitiativen und eindeutige Fortsetzung auf Seite 2

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Erklärungen zur Frage der polnischen Grenze das allgegenwärtige Mißtrauen zu zerstreuen. Dienstbier warnte davor, die deutsche Frage zu dramatisieren und das vereinte Deutschland als einzigen potentiellen Konfliktherd in Europa hinzustellen. Sich von der Sowjetunion absetzend, sprach er von Konflikten, die im Gefolge extremer Nationalismen, sozialer oder ökologischer Katastrophen oder des Elends in der Dritten Welt in vielen Teilen Europas ausbrechen könnten. In In

formationsgesprächen wurde angedeutet, daß die Warschauer -Pakt-Staaten die Idee Vaclav Havels unterstützen, die nächste KSZE-Konferenz um ein Jahr vorzuziehen. Dort soll dann die Einheit Deutschlands sanktioniert und alle noch bestehenden Alliierten Rechte und Vorbehalte aufgehoben werden. Die „Zwei-plus-vier„-Gespräche in Ottawa hätten dann nur vorbereitenden Charakter. Schließlich wurde ein weiteres Mal Polens Recht bekräftigt, in Ottawa anwesend zu sein, wenn es um Grenzfragen gehe. „Niemals wieder“, erklärte Dienstbier, „werden wir es irgend jemandem gestatten, über uns ohne uns zu

entscheiden.“

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