The Blues ain't nothing...

■ Sonniger Country-Blues beim zweiten Akt der Reihe „Sparkasse in concert“

Der Blues ist nichts als ein Mann und seine Gitarre, ist das drückende Brutkastenklima der Südstaaten, eine Straßenecke, ein Platz und der aufgeschlagene Gitarrenkoffer zum Geldreinwerfen. Er braucht keine zwölftaktigen Strophen, braucht keinen durchgehenden Beat, keine ausgefeilten Melodien und keine vorgefertigten Songtexte. Stattdessen genügt ein Mann wie Paul Geremia, der traumwandlerisch die richtig falschen Töne trifft, ob er die Gitarre spielt oder seine Mundharmonika, der stilsicher die Melodiefetzen der verschie

denen Spielarten des Country-Blues intoniert und damit immer wieder den ruhigen Fluß seiner Lieder aufbricht, auf daß sie ein ruppiges Zeugnis ablege von der Beschwerlichkeit des Lebens im US-amerikanischen Süden.

Der Blues ist nichts als ein schwarzer Mann und seine E -Gitarre, ist die brennende Sonne über dem Mississippi -Delta, ist der Klang einer Baumwoll-Plantage, die dunkle Erinnerung an den anderen Kontinent, wo das Leben ein freies war. Er braucht nicht das Korsett seiner AAB-Struktur aus dem Lehrbuch,

braucht nicht das Wissen um 'blue notes‘ oder nicht, er braucht nur den Puls eines wippenden Fußes, der sich nicht um das akademische Gleichmaß schert. Stattdessen genügt ein Mann wie David Honeyboy Edwards, 75, der seit 60 Jahren nur mit seiner Gitarre und seiner scharfen, leicht brüchigen Stimme den Blues in seiner ursprünglichen Variante pflegt. Mit seiner rudimentären Instrumentaltechnik untermalt er seine Gesänge, die nicht äußeren Konventionen wie Taktarten oder Tonarten, sondern nur seinem Ausdruckswillen folgen. Die Riffs, die seinen Blues-Standards zugrundeliegen, zerpflückt er in quasi atonalen Eruptionen und fügt sie wieder zusammen, als wäre nichts gewesen.

Einen stilechten Bluesabend im Feeling seines ursprünglichen Feuchtbiotops im Mississippi-Delta bescherten die beiden, zuerst der Weiße, dann der Schwarze, ohne neumodische Prätentionen oder Schnickschnack. Was der Jüngere an Virtuosität vorlegte, das holte der Ältere mit spielerischer Unbekümmertheit heraus. Und beide blieben in ihrer Verschiedenheit beim Thema, der Freiheit und Direktheit, die im ursprünglichen Blues zu Hause ist. Den Zuhörern im gut gefüllten Packhaus Orchesterboden jedenfalls schickte sie ihren Sonnenstrahl ins Herz.

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