: Henker und Stasi an der Brehmstraße
Finale um die Eishockey-Meisterschaft: Trotz schwerster Hindernisse für die freie Presse kann hier ein 5:1 der Düsseldorfer EG gegen den SB Rosenheim vermeldet werden / Titel nach 15 Jahren wieder an die DEG ? ■ Aus D'dorf Bernd Müllender
Hans Sültenfuß ist im Düsseldorfer Eishockey ein ebenso gewichtiger wie wichtiger Mann. Er nennt sich Organisationsleiter der DEG und übt die Gewalt über die Plätze im Eishockey-Tempel an der Brehmstraße aus. Daß Menschen einem Beruf nachgehen, der die journalistische Übermittlung des Eisgeschehens zum Inhalt hat, kümmert ihn kaum.
34 Presseplätzlein hat der Club im größten Stadion der Republik ausgewiesen, im wesentlichen für die Lokaljournaille, mit dem Rest muß Geld verdient werden. „Wir führen über jede Karte Buch“, bescheidet er dreist auf Kartennachfrage, derer 10.672 Tickets gebe es, und schon „wenn ich eine mehr ausgebe, reißt mir die Stadt Düsseldorf den Kopf ab“.
Die Presse ohne Beziehungen „zum Hansi“ wird ausgeschlossen, auch und erst recht, wenn es sich um ein Finalspiel handelt. Hoffen wir dennoch, daß ihn die Henker der Stadt nicht erwischt haben, als er den Düsseldorfer Schalke-Präsidenten Eichberg am Dienstag samt Begleitung noch hineinschleuste ins berstend überfüllte Oval der mindestens 11.672 ZuschauerInnen.
Der taz, unbestechlich ohne jeden lokalen Geschäftsklüngel, blieb da nur der Schwarzmarkt und schließlich ein sardinenhaft gequetschtes Flecklein inmitten der wobenden Masse vom besten Eishockeypublikum der Welt. Auch ein Erlebnis, keine Frage, allerdings war die Sicht gemeinhin nur durch einzelne enge Gucklöcher, sekundenlang auch Schneisen möglich. Ein mitleidsvoller Fan tröstete, es käme ja ohnehin mehr auf Akustik und Stimmung an, denn auf den Eisesblick.
Was die rot-gelben Chöre in vorbildlicher Zusammenarbeit mit dem Mischpultmann in der rituellen Viertelstunde vor dem ersten Bully sogleich unter Beweis stellten: DEG-Walzer mit Schunkelzwang, Absingen lokaler Altbierhymnen, gemeinschaftliches Skandieren der Mannschaftsaufstellung, die telegene Wunderkerzenshow bei erloschenem Licht, Zarathustra-Fanfare beim Hineingleiten der Lieblinge und obligatorischer Papierschnitzelregen zum Puck-Off.
Man müßte, meint der Nebenmann, an die zerschredderten Stasi-Aktenberge herankommen, das gäbe Material für eine ganze Saison.
Zum Glück ist die Sicht Richtung Karl Friesen weitgehend frei. Der Rosenheimer Torwart steht bei mindestens einem Dutzend klarster Chancen der DEG immer richtig, schnellt in jede Flugbahn des schwarzen Ungeheuers, solange bis sich kein Düsseldorfer Angreifer mehr zu schießen traut, um sich den garantierten Frust zu ersparen. Gordon Sherven, der vom Schnupfen genesene Torjäger des bayerischen Titelverteidigers, macht es gegenüber besser. 0:1 nach 16 Minuten, und die fast schon betäubten Ohren haben dank sinkender Phonzahl eine kleine Verschnaufpause.
Bis weit ins zweite Drittel hinein wirkt der Schock. Rosenheim, ohne die drei Unsinn-Männer Ahne, Berwanger und Lutz, ist läuferisch und technisch überlegen, und Friesen, der Kästchen-Buddha, steht weiter stoisch richtig alle Zeit. Erst ein Schlenzer von Verteidiger Rick Amann nach einem Supersolo des Nachwuchs-Rheincracks Brockmann wendet das Blatt.
Als dann der notorische Branchenflegel Hans-Peter Kretschmer wieder mal als Foulfolge auf die Bank muß (er nähert sich 1.500 Bundesliga-Strafminuten, das ist ein voller Tag und Rekord), donnert Mike Schmidt zum 2:1 ein, Friesen hält noch einmal einen Penalty von Lee, der kurz darauf aber im Nachschuß besser trifft zum vorentscheidenden 3:1.
Je länger das nunmehr erlahmende Spiel dauert, desto passiver und durchschlagsarm wirkt des (Noch-)Meisters elegantes Spiel genenüber dem wuchtigen und dynamischen Forechecking der Düsseldorfer. Durchaus durchschlagstark agieren noch einmal die Rauhbeine Mitte des Schlußdrittels. Neun Strafminuten auf einmal für Rosenheim, und sogleich wird vom Tonband die Weise eingespielt: „Mir san die lustigen Holzhackerbuam.“
Die tablettweise obergärig abgelitterten Einheimischen fordern nun donnernd Unterstützung: „A fängt an.“ Gemeint ist der erste Block - auf der Sitztribüne, der befehlsgemäß die „Ola“ losrunden läßt.
Willmann und Gerd Truntschka geben kurz vor Schluß die gefeierten Zugaben mit zwei herrlichen Toren zum 4:1 und 5:1. Jetzt schunkeln auch die edel bepelzten und fein gestylten Blöcke A und B. Und selbst der Präsident Josef Klüh, Millionen-Jongleur durch sein Reinigungsimperium mit 13.000 Saubermännern und Sauberfrauen („Klüh-Cleaning“), hat sich erhoben und läßt die Hände gegeneinander prallen.
Am Freitag in Rosenheim kann schon Schluß sein, wenn die DEG wieder gewinnt und zum erstenmal seit 1975 wieder titelt. Um elf Uhr am Samstag, verkündet der Nebenmann lautstark, komme dann der Meister in Lohausen an.
Aber alle hoffen auf das Finale der Finalspiele am Sonntag
-noch einmal die ganz große Show. Hoffentlich überlebt das auch der Herr Sültenfuß.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen