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Ost-Sozis bald Allianz-versichert?

■ Vorsitzender Böhme hält Koalition mit der Allianz inzwischen für „denkbar“ / Fraktion ist uneins

Berlin (ap/dpa/taz) - Die DDR-SPD bekommt langsam Fracksausen: Die Basis ist offenbar mit der kategorischen Absage ihres Vorstandes an eine Große Koalition mit der Allianz nicht einverstanden. Der Vorsitzende Ibrahim Böhme räumte gestern am Rande der konstituierenden Sitzung der Volkskammerfraktion ein, daß es Meinungsverschiedenheiten gebe. Es sei denkbar, daß die Fraktion den Empfehlungen des Vorstandes und des Parteirates, in der zukünftigen Volkskammer auf der Oppositionsbank zu sitzen, nicht folgen werde. Eine Änderung der Koalitionsaussage hält Böhme für „denkbar“.

Der Parteivorstand der Sozialdemokraten hatte am Montag einstimmig für die Oppositionsbank gestimmt. Als Hauptbegründung war angeführt worden, daß man sich eine Zusammenarbeit mit der CSU-Schwesterpartei DSU nicht vorstellen könne. Die Sitzung der neuen Fraktion in Ost -Berlin dauerte bei Redaktionsschluß noch an.

Vor allem die Sozialdemokraten aus dem Süden - das wurde schon während der Sitzung des Parteirates am Dienstag deutlich - können sich eine Koalition mit den Allianz -Parteien nicht vorstellen. Die heftigen Auseinandersetzungen mit den Allianz-Parteien während des Wahlkampfes machten eine gemeinsame Regierung im Augenblick unmöglich. Die Funktionäre fürchten, daß ihnen die Basis wegbricht. Auch die stellvertretende Vorsitzende der SPD Angelika Barbe konstatierte gestern eine „starke Stimmung“ gegen eine Zusammenarbeit in der Regierung. Es sei für die SPD besser, in die Opposition zu gehen und dort erst einmal „anständige“ Parlamentsarbeit zu lernen, sagte Frau Barbe.

Auf der Tagesordnung der 87 neugewählten Fraktionäre stand neben der Koalitionsfrage die Wahl des zukünftigen Fraktionsvorsitzenden. Der Vorstand hat Ibrahim Böhme vorgeschlagen. Unklar war noch, ob es weitere Kandidaten gibt.

Auch zwischen den Allianz-Parteien, die sich im Wahlkampf immer als fester Block präsentierten, gibt es Irritationen. Noch immer ist unklar, ob die drei Parteien eine Fortsetzung auf Seite 2

Fraktionsgemeinschaft bilden wollen. Offenbar beansprucht die DSU im Allianzbündnis mehr Einfluß, als die Partnerin CDU ihr zugestehen will. Aus München bekamen die Leipziger jetzt Rückendeckung. Parteichef Waigel hat sich dafür ausgesprochen, daß die DSU eine „eigenständige Partei mit einem eigenständigen Profil“ bleibt. Sie habe weit mehr zum Gesamterfolg der Allianz-Parteien beigetragen, als sich das im Wahlergebnis (6,3 Prozent) ausdrücke. Nach Informationen aus Ostberliner CDU-Kreisen ist noch unklar, ob die Allianz -Parteien eine gemeinsame Regierungsfraktion bilden werden. Förmliche Verhandlungen darüber würden in der nächsten Woche stattfinden. Eine Vorabklärung erhofft man sich vom gestern abend stattgefundenen Treffen mit Kanzler Kohl in Bonn.

Auf kommunaler Ebene ging die DSU zur CDU inzwischen auf Distanz. Sie will bei den am 6.Mai anstehenden Kommunalwahlen als eigenständige Partei kandidieren. Eine Listenverbindung mit der CDU, so hat die Führung in Leipzig inzwischen entschieden, kommt nicht in Frage.

bf

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