Daß der das darf!-betr.: "Die Schriftsteller der DDR - ratlos", taz vom 16.3.90

betr.: „Die Schriftsteller der DDR - ratlos“, taz vom 16.3.90

Achduherjemineh! Peter Schütt sitzt über die DDR-Literaten zu Gericht. Das ist ja ein tolles Ding. Jahre, nein: jahrzehntelang der Mann, der in dünnen Worten den realexistierenden Sozialismus Ost-Berlins im Westen lyrisch zu verkaufen suchte; der auch zu den eklatantesten DDR -Blamagen (zum Beispiel Biermann-Ausweisung) den Mund hielt; der mit mäßigen Gedichten am Neuen Menschen Marke Einheitspartei mitbastelte. der darf sich jetzt Christa Wolf, Volker Braun, Heiner Müller aufs Korn nehmen. Daß der das darf!

Literatur-Zeitschriften blättert er durch und entdeckt „belangslose Dichtergedichte“, „Persiflagen von Alltagsweisheiten“, „manchen Text, der kaum über den Tag hinaus Bestand haben dürfte“. Wie man in den Wald ruft..., Herr Schütt. Die Analyse ihrer Texte der letzten 20 Jahre steht noch aus. Und: wer, wenn nicht Sie, hätte jetzt ratlos zu sein.

Vor Schütt(erer)-Kritik möchte man Heiner Müller am liebsten beistehen mit der alten Degenhardt (na, auch so einer!?)-Zeile: „Einer der, obwohl er wollte, nie wie du gewesen ist, soll nicht sagen dürfen, daß du so wie er geworden bist.“ Aber Heiner Müller braucht solchen Beistand natürlich nicht. Und Peter Schütt wird's eh nicht verstehen.

Jens Clausen, Freiburg