piwik no script img

Letzte Ausfahrt Lüttich

Werder Bremen nach 0:2 gerade noch im Halbfinale  ■  PRESS-SCHLAG

Laut Erhebung des Allensbach-Instituts kennen 78 Prozent der Deutschen aus Belgien nur „Eddy Merckx“ und „Vincent van Gogh“. Auch wenn die Aktiven aus Lüttich gekommen waren, um sich mit ihrem überraschend munteren Gewurschtel in die Herzen der Fans zu spielen, steht zu befürchten, daß es in nächster Zukunft bei diesem Umfrageergebnis bleiben dürfte.

Dabei waren die Wallonen wahrhaftig kein schlechter Werbeträger für ihr schönes Land der tausend Raffinerien und beleuchteten Autobahnen. Gelegentlich blitzte sogar etwas vom Spielwitz des legendären Rene Magritte und von der engen Ballführung eines Raymond Ceulemans aus der Meistermannschaft von 1961 auf. Doch für Spannung konnten die Belgier nach der 1:4-Hinspielkatastrophe im Heyselstadion trotz ihrer zwei Treffer nicht mehr sorgen. Von den behäbigen Bremern ging zwar zu keiner Zeit Gefahr aus, aber durch die allzu besorgte Vermeidung eines abermaligen Waterloos begaben sich die wie immer im Caravan angereisten Lütticher von vornherein der Chance auf ein Weiterkommen.

Dabei erweist sich das Weserstadion immer seltener als die in Beton gegossene Angst vergangener Jahre. Der Gast konnte es sich behaglich einrichten und abwarten. Symptomatisch: Oliver „Papillon“ Reck, immerhin der beste Werderaner, flatterte bereits in der dritten Minute hysterisch durch den eigenen Strafraum. Und so konfus ging es weiter. Thomas Wolter, der sowieso anscheinend das Match mit dem Frühjahrsklassiker Lüttich-Bastogne-Lüttich verwechselte, ließ sich amateurhaft von de Sart ausbremsen: 0:1. Von da an gab's nur noch surreale Kombinationen zwischen Borowka und Machiels, Otten und Houben, Schaaf und Hrabant. Und irgendwann stand's dann 0:2. „Zwei Mal Pommes mit Mayo, bitte.“

Auf dem Weg in die Kabinen stellten wir anschließend Karl -Heinz Riedle, von dem ja bekannt ist, daß er in seiner letzten Saison beim SV Werder aktiv ist. Aber der trickreiche Nationalmittelstürmer gab sich auch im Interview keine Blößen:

Mit welcher Einstellung sind Sie ins Spiel gegangen, Karl -Heinz?

Jetzt kürzer arbeiten - der falsche Weg! Lieber mehr Lohn!

Sollten denn nicht Preis und Leistung in angemessener Relation stehen, Herr Riedle?

Wer mehr verdienen will, soll auch woanders arbeiten dürfen!

Meinen Sie nicht, daß Sie es in Italien als Stürmer schwerer haben werden als heute abend?

Wir haben doch jetzt schon alle Hände voll zu tun!

Mit dieser phantastischen Moral sollte es eigentlich kein Problem sein, den UEFA-Cup an die Weser zu holen. Dem nüchternen Betrachter graute es allerdings bereits vor dem nächsten Europa-Cup-Festival. Deshalb hier nur noch soviel: BITTE UNTERLASSEN SIE DAS ABBRENNEN VON FEUERWERKSKÖRPERN!

Chr. Bommert/A. Lachmann

BREMEN: Reck - Bratseth - Borowka, Otten - Bockenfeld, Wolter, Sauer, Votava - Neubarth, Riedle, Rufer

LÜTTICH: Munaron (46. Gusbin) - de Sart - Wegria (75. Giusto), Machiels, Quain - Waseiga, Houben, Boffin, Ernes Nijskens, Milosevic

TORE: 0:1 de Sart (23.), 0:2 Milosevic(81.)

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen