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EG-Startschuß für Freilandversuche

EG-Umweltminister verabschieden Gen-Richtlinien  ■  Aus Brüssel Michael Bullard

167 Freisetzungen gentechnisch manipulierter Lebewesen wurden bislang weltweit registriert - allein 120 in den letzten zwei Jahren. Daß sich diese Entwicklung im Sinne der Pharma- und Chemieindustrie fortsetzt, dafür sorgte gestern der EG-Umweltministerrat. Unter dem Vorsitz des irischen Umweltministers Patrick Flynn verabschiedete das höchste Umweltgremium der EG zwei Richtlinien, wie die EG-Gesetze genannt werden: Das eine Gesetz regelt „die absichtliche Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen in die Umwelt“, das andere die Nutzung solcher Mikroorganismen „in geschlossenen Systemen“, sprich Labors und Fabriken. Damit wollen die Minister eine Lücke in der EG-Gesetzgebung schließen. Denn während bislang in einigen EG-Staaten gar keine Regeln für die Handhabe gentechnisch manipulierter Lebewesen existiert, wird in anderen wie der Bundesrepublik gerade daran gebastelt: Bonn will in der kommenden Woche sein Gengesetz verabschieden. Die jetzt verabschiedeten EG -Richtlinien müssen innerhalb von 18 Monaten von den Mitgliedsstaaten in ihr nationales Recht übernommen werden.

Bedauernd gab Umweltminister Töpfer gestern bekannt: „Die weitergehenden Änderungsvorschläge des Parlaments sind nicht akzeptiert worden.“ Der für die beiden Gen-Tech-Richtlinien zuständige Berichterstatter des Parlaments, Gerhard Schmid, hatte eine Pflichtversicherung bei jedem Versuch und die vorherige obligatorische Unterrichtung der Bevölkerung des betroffenen Gebiets gefordert. In den jetzt vom Rat verabschiedeten Richtlinien ist dagegen lediglich von einer Risikofolgenabschätzung und der Zustimmung der zuständigen Behörden die Rede.

Auch bei der Frage der Umweltagentur erlitt das Parlament eine Schlappe. Die zuständige Bericht Fortsetzung auf Seite 2

erstatterin Beate Weber hatte gefordert, daß die Agentur nicht nur Umweltdaten sammelt und der Kommission zur Verfügung stellt, sondern auch Kontrollfunktion bei der Umsetzung von EG-Richtlinien in

nationales Recht ausübt. Hier gibt es erheblichen Nachholbedarf, denn viele Mitgliedsländer setzen nur sehr zögerlich EG-Umweltrecht um. In einem Deal mit den beiden großen Fraktionen im Europaparlament, den Konservativen und den Sozialisten, gelang es Umweltkommissar Ripa di Meana, weitergehende Kompetenzen der Agentur hinauszuzögern. In zwei Jahren soll mit dem Parlament noch einmal darüber verhandelt werden. Da eine Revision im Rat jedoch nur einstimmig beschlossen werden kann, ist eine Ausweitung der Aufgaben der Umweltagentur auf längere Sicht unwahrscheinlich.

Wie Umweltminister Töpfer mitteilte, führen die USA mit 76 Freilandversuchen, gefolgt von Frankreich (37), Kanada (18) und Belgien (12). In der Bundesrepublik wurde bislang ein Versuch durchgeführt, ein weiterer ist genehmigt: In diesem Jahr sollen manipulierte Petunien angepflanzt werden.

Die Europa-Grünen kritisierten, daß die Richtlinien insgesamt zu lasch sind, um möglichen Gefahren einzudämmen. Ihrer Meinung nach sind die - möglicherweise schädlichen Wechselwirkungen zwischen eingeführten neuen und natürlichen Genen noch weitgehend unbekannt. Außerdem schweigen sich die Richtlinien aus über die Forschungsarbeiten an biologischen Waffen und über den Transport gentechnisch veränderter Lebewesen.

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