: Frauenwoche: Hoffnungen
■ Keine Lust mehr, hinter Essens- und Infoständen zu stehen
Heute beginnt die achte Bremer Frauenwoche mit dem Schwerpunkt „Rassismus / Sexismus“. Sexismus als gemeinsamer Nenner „ausländischer“ und „inländischer“ Frauen, Rassismus aber als Trennlinie zwischen „weißen“ und „schwarzen“ Frauen ist unsere Ausgangssituation.
Rassismus ist leider ein Wort, daß die meisten Menschen hier nur an Südafrika denken läßt. Es ist zwar bekannt, daß in der Bundesrepublik seit 30 Jahren Ausländerfeindlichkeit bzw. Fremdenfeindlichkeit existiert und stetig zunimmt, doch diesen Zustand als Rassismus zu definieren, hält wohl die Mehrheit der Bevölkerung für übertrieben.
In aufgeklärten Kreisen herrscht jedoch Einigkeit, daß Begriffe wie „Ausländerfeindlichkeit“ die Tatsache verleugnen, daß es sich hier um eine institutionell verankerte und individuell reproduzierte Apartheid handelt. Und wer das bundesdeutsche Ausländergesetz genau liest, stellt fest, es handelt sich um ein Apartheidsgesetz.
Aber wie kommt es dazu, daß erst jetzt Frauen der Frauenbewegung den Rassismus problematisieren? Ist es Mitleid der deutschen Schwestern und Organisatorinnen, die erkannt haben, daß ausländische Frauen von Sexismus und Rassismus bedroht werden, und diese Frauenwoche als eine Geste der Freundlichkeit unter Frauen zu verstehen ist? Oder wollen bewegte Frauen sich vom Rassismus freisprechen, indem sie Begegnungen zwischen ausländischen und inländischen Frauen arrangieren oder gar sich selbst häufiger in sogenannten „mulitkulturellen“ Kreisen oder Veranstaltungen aufhalten? Es könnte aber auch sein, daß wir es der Erkenntnis zu verdanken haben, daß Frauen den Kampf gegen Rassismus als den Kampf ihrer eigenen Befreiung erkannt haben, und dies soll in dieser Woche nicht nur weitergetragen, sondern darüberhinaus Bündnisse geschaffen und gemeinsame Strategien entwickelt werden?
Am Ende der Woche werden wir mehr wissen. Was jedenfalls an der achten Bremer Frauenwoche neu für uns ist, ist daß wir als „ausländische“ Frauen zum ersten Mal an der Organisation beteiligt sind und nicht nur konsumieren oder als Randfiguren an Essens- und Infoständen zu sehen sind, wozu wir schon lange keine Lust mehr haben.
Die Tatsache, daß wir bisher in Diskussionen als Objekte und Hilfsbedürftige thematisiert und unsere Kulturen auf Folklore, Bauchtanz usw. reduziert wurden, erzeugte schon in der Vergangenheit heftigen Widerstand. Die Frauenwoche läßt die Hoffnung hegen, daß emanzipatorische Veränderungen stattfinden, die längst fällig sind. Wir wünschen uns, daß diese Woche einen Anfang für gemeinsame Entwicklungen setzt und nicht als ein Modethema ausgereizt wird.
Wir sind uns im Klaren darüber, daß es nicht nur ein harmonisches Beisammensein wird, in dem Informationen ausgetauscht werden. Es erwarten uns Kritik, ehrliche Konfrontation und Selbstkritik. Trotzdem erhoffen wir uns, daß in dieser Woche eine gemeinsame Plattform gegen den zunehmenden Nationalismus, Rechtsextremismus und Rassismus geschaffen wird, wo Solidarität nicht gefordert, sondern selbstverständlich ist.
Gülbahar Kültür, Zerrin Dalhoff
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