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FDP: 1 zu 1 für Löhne und Gehälter fraglich

■ Liberale warnen vor zu hohen Lohnkosten für Ost-Betriebe / Rentenanpassung soll verzögert werden / Wirtschaftsminister Haussmann will Allianz-Deal mit DDR-Versicherung kippen / Bonn arbeitet an „Leitsätzegesetz“ für den Übergang zur Wirtschafts- und Währungsunion

Berlin (taz/ap) - Der Umtausch der DDR-Löhne und -Gehälter zum Kurs von 1:1 ist fraglich. Die Erhöhung der Ost-Renten auf das bundesdeutsche Niveau von 70 Prozent des Nettolohnes soll nicht sofort erfolgen. Einen gesetzlichen Mindestlohn soll es in der DDR nach der Währungsunion nicht geben. Und: Die geplante Kooperation zwischen dem Allianz-Konzern und dem DDR-Monopolisten Deutsche Versicherungs AG soll verhindert und ein Kartellrecht nach bundesdeutschem Vorbild entwickelt werden. Diesen Forderungskatalog präsentierten Bundeswirtschafstminister Helmut Haussmann und FDP-Chef Otto Graf Lambsdorff nach einer Präsidiumssitzung der Liberalen in Bonn.

Zur Begründung für einen Umtauschkurs, der den Beschäftigten in der DDR ein noch größeres Lohngefälle im Vergleich zur BRD beschert, erklärten Haussmann und Lambsdorff übereinstimmend, daß die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe und Produkte nicht ausgehöhlt werden dürfe. Einen anderen Kurs nannten sie nicht; dabei müßten aber auch das künftige Steuerrecht, die Höhe der Sozialabgaben und die staatlichen Unterstützungen nach dem Wegfall von Preissubventionen berücksichtigt werden. Zudem müßten bei einem Umtausch 1:1 auch die Unternehmensschulden im gleichen Verhältnis umgerechnet werden. Die Koalition habe sich bislang noch nicht auf einen Umstellungskurs geeinigt.

Das von Bundeskanzler Kohl kurz vor der Volkskammerwahl zugesagte Umtauschverhältnis von 1:1 gelte ausdrücklich nur für Sparguthaben, sagte Lambsdorff; in anderen Bereichen sei dies „nach wie vor offen“. Die Löhne müßten der Produktivität der Wirtschaft, die zwischen 30 und 50 Prozent der bundesdeutschen betrage, angepaßt bleiben - „sonst sind die Unternehmen sofort pleite“.

Während Bundesarbeitsminister Norbert Blüm noch am Vortag in einem Interview erklärt hatte, nach einer Beschäftigungsdauer von 45 Jahren sollten die DDR -RentnerInnen ebenso wie in der BRD 70 Prozent des Nettolohnes bekommen, widersprach dem Hausmann. Auch das zukünftige Rentenmodell sei noch nicht festgelegt. Zwar werde es keinen gesetzlichen Mindestlohn geben, aber weder bei der Kaufkraft der Löhne noch der Renten solle es gegenüber dem jetztigen Zustand Einbußen geben.

Die hat jedoch die Allianz-Versicherung zu erwarten Haussmann will als „Testfall“ für ein neues Wettbewerbsrecht die geplante Kooperation zwischen dem Münchner Assekuranz -Riesen und der DDR-eigenen Deutschen Versicherungs AG verhindern. Sonst würden mit einem Schlage mehr als 30 Millionen Versicherungsverträge in der DDR monopolisiert, sagte Haussmann. Die Regierungen in Bonn und Ost-Berlin seien sich zudem einig geworden, ein Monopolrecht nach bundesdeutschem Vorbild zu entwickeln, für das das DDR -Justizministerium zuständig sei. Am heutigen Dienstag sollen dazu die Verhandlungen beginnen. Als eine Art Vorschriftensammlung für Wirtschaftsreformen und Währungsunion wird im Bundeswirtschaftsministerium derzeit an einem Leitsätzegesetz gearbeitet, gab Haussmann noch bekannt. Darin solle alles das vorweggenommen werden, was rund um die wirtschaftliche Einheit später in Einzelgesetzen geregelt werden müsse.

diba

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