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Blinde Plädoyers-betr.: "Plädoyer für den Rechtsanwalt", taz vom 24.3.90

betr.: „Plädoyer für den Rechtsanwalt“, taz vom 24.3.90

Ende 1987 wandte sich ein Ostberliner Physiker an Krawczyk: Im Safe seines Forschungsinstituts lagerten jene Informationen zu Tschernobyl, die der Energieminister dem Pilze sammelnden und Elchfleisch essenden DDR-Volk wissentlich vorenthielt. In strenger Konspiration arbeiteten beide das Material auf, um es den DDR-Bürgern zugänglich zu machen und den Energieminister zu verklagen.

Als Krawczyk plötzlich verhaftet wurde, kritzelte er seinem Rechtsanwalt Schnur vier Worte auf einen Kassiber: „Freya soll ... warnen!“ Über besagten Kassiber verlor Schnur mir gegenüber nicht eine Silbe. Doch am nächsten Tag fand beim Physiker eine Hausdurchsuchung statt, an die sich tagelange Verhöre des Mannes einschließlich körperlicher Mißhandlung anschlossen. Die Hausdurchsuchung wurde mit dem verblüffenden Satz eingeleitet: „Tja, Herr..., Krawczyk hat Sie eben verraten.“ Nur ein Beispiel von etlichen Nachweisbaren.

Bevor Herr Herzberg blinde Plädoyers hält, sollte er sich kundig machen. Vielleicht bringt er dann die Phantasie auf, sich die Gefühle derer vorzustellen, die (voneinander abgeschnitten durch Gefängnis- und Landesmauern) gegeneinander ausgespielt und aufeinandergehetzt wurden: vom integersten Anwalt der DDR, von Schnur.

Freya Klier, Berlin

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