: Demokratie gleisweise
Ein studentischer „Zug der Demokratie“ unterwegs durch Osteuropa: Leipzig, Prag, Temeswar und Bukarest ■ Von Christian Füller
Paris/Bonn (taz) - Mitreisende: 100 Schreibmaschinen, 25 Kopiergeräte, eine Offset-Druckmaschine, vier Tonnen Bücher. Reiseziele sind die Schauplätze der Revolutionen im ehemaligen Ostblock: Leipzig, Prag, Temeswar, Bukarest und Budapest. Doch was da am 23.März den Gare de l'Est verließ, wollte nicht als „Hilfsgütertransport“ gesehen werden. Der „Zug der Demokratie“ will 400 StudentInnen aus dem Westen Europas zu ihren KommilitonInnen im Osten bringen und ein zweites wichtiges Reiseziel anstreben. Die Studis werden auch eine Konferenz in Paris vorbereiten, bei der zum ersten Mal frei gebildete Zusammenschlüsse von Studierenden aus ganz Europa teilnehmen werden.
Ursprünglich planten die Mitglieder des linksliberalen UNEF -ID, des „Nationalen unabhängigen und demokratischen Vereins der französischen Studenten“, an der rumänischen Grenze gegen Ceausescu zu demonstrieren. Das erübrigte sich bekanntermaßen. Dann kamen sie auf die Idee, einen „Zug der Demokratie“ zusammenzustellen. Nach dem Willen der UNEF-ID solle er „Dynamik, Freiheit, Reisen, freie Beweglichkeit der Menschen und der Ideen“ symbolisieren.
Der Zug wollte zehn Tage lang unterwegs sein und dabei 6.000 Kilometer zurücklegen. Insgesamt drei Millionen Francs haben die StudentInnen der UNEF-ID bei privaten und öffentlichen Geldgebern aufgetrieben. Zur illustren Ladung der 13 Waggons gehören auch die beiden Rockgruppen „Satelites“ und „Babylon Fighters“ sowie Studis aus Frankreich und 17 weiteren europäischen Ländern. Aus der Bundesrepublik nehmen VerteterInnen des Bonner Asta teil. Erste Station des Zugs der Demokratie war Leipzig, wo man mit Kurt Masur zusammentraf. Über Prag sollte die Fahrt nach Temeswar/Rumänien gehen, wo man mit einem der „Väter“ der Umwälzungen in Osteuropa, Pfarrer Laszlo Toekes, sprechen wollte.
Im Mittelpunkt der Reise sollen allerdings die Gespräche mit Studis stehen. Dabei wird es vor allem um den Entwurf einer „Europäischen Studenten-Charta“ gehen. Diese Charta, so sagte Sylvain Roumier von der UNEF-ID bei der Vorstellung des Projektes in Bonn, solle nicht allein „generale Prinzipien“ enthalten. Sie werde ganz konkrete studentische Belange zum Thema haben: etwa die Gleichwertigkeit der Abschlüsse oder die soziale Lage und die damit verbundene Mobilität der Studierenden. Die Charta soll der „erste Baustein“ der „Europäischen Studenten-Konferenz“ am 10. und 11.Mai in Paris sein.
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