piwik no script img

Bolle-Brandstifter packte aus

■ Es war alles ganz anders und - unpolitisch: Ein Pyromane gestand jetzt die Bolle-Brandstiftung vom 1. Mai 1987, die Brandstiftung der Kita im Block73 und 46 weitere Fälle / Darunter ist auch der Wohnungsbrand mit zwei Todesopfern in der Reichenberger Straße

Was jahrelang Kreuzberger Autonomen in die Schuhe geschoben wurde, stimmt nicht: „Chaoten“ haben die Bolle-Filiale in der Wiener Straße, die während der schweren Straßenschlachten am 1. Mai 1987 in Flammen aufging und bis aufs Fundament niederbrannte, nicht abgefackelt. Nur durch Zufall fiel der Polizei nämlich in der vergangenen Woche der wahre Brandstifter in die Hände. Der 29jährige Armin St. wurde in der Nacht zum 22. März auf frischer Tat erwischt, als er einen Unterstellpilz in der Potsdamer Chaussee angezündet hatte.

Armin St. hat daraufhin aber nicht nur den Bolle-Brand zugegeben, sondern auch gestanden, in den letzten vier Jahren insgesamt 47mal Feuer gelegt zu haben. Er war es auch, der am 6. Mai 1988 die Wohnung in der Reichenberger Straße anzündete, in der ein junges Paar dann ums Leben kam. Komplize soll dabei Jürgen B. (27) gewesen sein, der mittlerweile ebenfalls festgenommen worden ist. Auch der Brand in der Holz-Kita im Block 73 zwischen Backsteinfabrik und Kinderbauernhof ist mit Armin St.s Geständnis geklärt. Die Kita brannte nicht, weil die „Szene“ sie flammend verhindern wollte, sondern weil Armin St. einen „inneren Drang zum Feuerlegen“ verspürte. Damals ermittelten erfolglos 16 Beamte des Staatsschutzes, Kripo-Leute und Brandspezialisten.

Die Polizei hat seit Armin St.s Festnahme dieses Geständnis überprüft - und glaubt seinen Angaben. Noch ist nicht auszuschließen, daß Armin St. weitere Brände gelegt hat. Kriminaloberrat Horst Brandt, der die Ermittlungen leitet, hält es sogar für denkbar, daß Armin St. auch in Westdeutschland gezündelt hat. Die Polizei ordnet Armin St. eindeutig nicht der autonomen Szene zu.

Beim Feuerlegen hat Armin St. Keller- und Dachstühle besonders bevorzugt. 31mal hat er an solchen Orten Feuer gelegt. Die Brände in einem Kiosk, einer Laube, an zwei Autos, zwei Lagerhallen, einer Bäckerei und in einem Real -Markt gehen ebenfalls auf sein Konto. Beim Abbrennen der Gebäude soll er seiner „sprudelnden“ Aussage nach immer aus sicherer Entfernung zugesehen haben.

Armin St. hat in den vier Jahren einen Schaden von 20 Millionen Mark verursacht. Ihm droht nun eine Strafe von mindestens 10 Jahren Gefängnis wegen schwerer Brandstiftung.

Armin St. stammt aus Baden-Württemberg und wohnt seit 1983 in Berlin. Ein Teil der 48 Brände soll Armin St. zusammen mit anderen Personen gelegt haben. Brandt erzählte gestern auf einer Pressekonferenz, daß Armin St. nach dem Geständnis „erleichtert“ gewesen sein soll. Beim Verhör soll er auch gesagt haben: „Eigentlich haben Sie Glück, ich wäre sonst schon wieder unterwegs.“ Mit Armin St. hat die Polizei den bisher „erfolgreichsten“ Serienbrandstifter festgenommen.

Armin St.s 48 Brandstiftungen in den letzten vier Jahren sind übrigens nur eine verschwindend geringe Anzahl: Alleine im vergangenen Jahr wurde 2.300mal vorsätzlich Feuer gelegt. Die Polizei riet gestern erneut, Treppenhaustüren abends gut abzuschließen.

Dirk Wildt

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen