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Spießig und schamlos

Die CDU und das Vorleben von Vizepräsident Albert Eckert  ■ K O M M E N T A R

Nein, dieses Mal geht es wirklich nicht darum, ob der Herr Vizepräsident Männer oder Frauen liebt und begehrt. Er benötigt deshalb auch nicht jene solidarische Sympathie, die man unterdrückten Minderheiten so gerne gewährt.

Nein, es geht auch nicht um die Frage, ob der Schönheitsmasseur a.D. biedere, biologisch-ganzheitliche Handgriffe zur Linderung schlimmer Zipperleins und zur Straffung alternden Gewebes tat - oder gezielt oder zufällig gewisse Schwellkörper stimulierte. Nein, und die Definitionsfrage, ob erotisierende Schönheitsmasseure nicht tatsächlich Stricher sind, sollte man der Duden-Redaktion überlassen. Wenn Eckert nun Wienhold deshalb wegen Beleidigung verklagte, verhielte er sich mindestens so dämlich wie der vielbelachte Ex-Bürgermeister von Charlottenburg, der nicht einmal satirisch ein Schwuler sein wollte und auf Beleidigung klagte - und von einem alle Schwule beleidigenden Gericht 20.000 Mark zugesprochen bekam. (Was ist am Strichersein Beleidigung? Wann verklagt ein Stricher den Vizepräsidenten?)

Auch für das durchaus lobenswerte Engagement zur Hebung des Berufsprestiges der Prostituierten eines auf ein Nebengleis geratenen Teils des Feminismus sollte man in diesem Fall nicht mißbrauchen. Klar gehören auch Huren auf PräsidentInnensessel. Ach ja, die Berliner CDU: Der besondere Charme der Sache liegt in deren Unverfrorenheit. Recht hat sie nur an einem einzigen Punkt: Es geht um die Würde des Parlaments. Bloß, die wird überlicherweise meist dann in den Dreck gezogen, wenn sie in den Mund genommen wird. Danach stinkt sie nach verlogener Moral und dem niedrigen Kalkül machthungriger Parteipolitiker. Oft mischt sich dieser Gestank dann noch mit den säuerlichen Ausdünstungen ehrlicher, prüder Kommentatoren und dem Odem hehrer Demokratie-Idealisierer. Und jedes Mal wird die Idee vom Parlamentarismus ein wenig lädiert, die doch eigentlich eine tolerante, weltoffene, freie und ehrliche ist. Ganz gleich, ob im beruflichen Vorleben des Albert Eckert nur Schweißtropfen flossen oder mehr - warum freuen wir uns nicht, daß da nun ein Mann die Geschäftsordnung handhabt, der voll ins Leben greift und neue Frische ins Plenum einbringt. Und seinen Oberpräsidenten und Filmchenverleiher Wohlrabe angenehm korrigieren könnte. Ach ja, diese vielzitierte Würde. Wenn's die wirklich gibt - dann ist sie übersäht mit Narben. Jede eine Folge der zahllosen Volksbetrügereien, Barscheleien, Bestechungen, Untersuchungsausschuß-Mauscheleien - und der Hetzkampagnen. Vielleicht sollte sich der Herr Wienhold mal mehr in den Parteiannalen nach echten Flurschäden umschauen...

Thomas Kuppinger

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