: Der Salatgiftmischer
Ein Sport-Krimi aus der Tenniswelt, Tatort: Davis-Cup ■ P R E S S - S C H L A G
Ganz schön abenteuerlich, was da die vergangenen Tage aus Buenos Aires zu hören war. Wollen mal gleich mit der neuesten Nachricht anfangen: „Aus den Toiletten riecht es bei der schwülen Wärme sehr herb“, ('dpa‘ am Freitag). Es wird sich noch zeigen warum, aber zunächst muß auf den sportiven Hintergrund der ganzen Geschichte eingegangen werden: Die BRD spielt seit gestern abend im Viertelfinale des Davis-Cup gegen Argentinien.
Eine Veranstaltung von nicht ganz geringem tennismäßigen Wert ist das, aber so weit weg von den kalten Buffetts hierzulande droht sie ein bißchen unterzugehen. Auch, weil der Becker Boris nicht mittut. Der hat andere Sachen im Kopf und Blei in den Beinen vom vielen Sörf-änd-Wolli und macht lieber Pause. Was ihm gegönnt sei, und weshalb sich der deutsche Champagner- und Kaviarexpreß auf den Weg gemacht hat mit den Spielern Steeb, Stich, Jelen und Wöhrmann.
Ein Pleiteunternehmen vorab, nicht sportlich unbedingt, sondern finanziell, wobei sich sogar das Paradox ergibt, daß der Verlust mit dem Erfolg steigt. Wie das? Weil die Pampa -Expediteure 300.000 Mark kosten an Prämien, Reisen, Verköstigung; davon 800 allein für Leberwurst, Schwarzbrot und Haferflocken! Und wenn sie das Halbfinale erreichen, müssen sie wieder weit weg (Neuseeland/Australien?) und im Finale auch, und alles kostet nur und kostet, und die Einnahmen kassieren die anderen.
Diese Zusammenhänge könnten nun den Verdacht nähren, dem Deutschen Tennisbund sei an einem Weiterkommen gar nicht so gelegen, und damit steht in unserem heutigen Sportkrimi „Wer hat den Salat vergiftet?“ schon mal der erste potentielle Täter auf der Liste: der DTB.
Um den nächsten potentiellen Giftmischer zu eruieren muß man wissen, daß der Chefaufsteller Niki Pilic mit den Herren Carl-Uwe Steeb („Miechschnidde, schmegd ächt subba“) und Michael Stich an den Start gehen wollte, weil Michael „am besten mit den schwierigen Bällen zurechtkommt“ (Pilic). Muß da nicht der Neid bohren im Spieler Wöhrmann, zumal die Chance nie wiederkommt bei Konkurrenten wie Becker, Jelen, Kühnen etc.? Da lenkt uns auch seinen Beschreibung von 'dpa‘ nicht ab: „Bescheiden, zurückhalten: Er ist von Grund auf ein solider Mensch.“ Die Typen kennen wir aus den Romanen von Patricia Highsmith: Wöhrmann wird notiert!
Nun schleicht da noch einer um den Centre Court, über dessen Disposition zum bösen Buben gar nicht geredet werden braucht. Ist es nicht in Ion Tiriacs Interesse allen zu zeigen, daß es nicht geht ohne ihn und Becker? Gleich verhaften den Kerl? Gemach, gemach, wiewohl ausgerechnet der bärtige Rumäne jenes „angesehene“ Lokal empfohlen hat, in dem die scheußliche Tat sich vollzog. Dort haben, und jetzt lassen wir die Katze aus dem Sack, drei Personen grünen Salat gegessen und sechs einen gemischten. Gemischten!
Wer weiß, was alles drin war, jedenfalls mußte Prof. Keul hernach Wismut-Salz, Antibiotika und ein Opium-Präparat aus dem Koffer klauben, und zu denen, die die folgenden Tage und Nächte nicht dünnpfiffgeschüttelt hinter Büschen und auf Toiletten (s.o.) verbrachten, gehören der milchschnittenstarke Steeb und - Wöhrmann. Nachtigall...?
Fair wie wir sind, halten wir Sherlock Holmes erstmal bis nach Ende der Spiele zurück, weil es auch so schwer genug wird für die Deutschen: Der Argentinier nutzt seinen Heimvorteil auf infamste Weise! Läßt mit abartigen Bällen spielen (Stich: „Du haust drauf wie ein Wilder und kriegst keinen Druck raus“), schüttet haufen- und kübelweise Sand und Wasser auf den Platz und setzt die heimische Tierwelt auf die Bleichgesichter an (Steeb: „Moskitos, die Viecher sind überall und stechen sogar durchs Hemd in die Haut“).
Und das Publikum ist gar nicht hanseatisch tenniskühl, es tobt und teufelt, daß Eric Jelen vorher schon weiß: „Eine Hölle wird es.“ Der Jelen! Hat, gerade den Magen- und Darmtrakt genesen, auch vom Gemischten genascht und spielt jetzt mit einem Nierengurt. Kann das gutgehen?
Veremos, sagt der Argentinio, und wir werden auch sehen, ob die Deutschen verschlagene Bälle mit dem beliebten „Oh shit“ begleiten. Soviel Sinn für Komik nämlich wär‘ ihnen gar nicht zuzutrauen.
Herr Thömmes
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