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Nebeneinander von Fallbeispielen

■ Die Ausstellung „Männerbande - Männerbünde“ in der Kölner Kunsthalle

Nach einem ersten schnellen Rundgang hat die Ausstellung Männerbande - Männerbünde bei mir einen überwältigenden visuellen Eindruck hinterlassen. In 34 Variationen aus aller Herren Länder stellen Gisela Völger und Karin von Welck das Thema vor. Durch das Nebeneinander der Fallbeispiele vermeiden sie die Trennung zwischen dem Exotisch-Fernen und dem Vertraut-Nahen. Sie legen somit Parallelen nahe zwischen scheinbar so unterschiedlichen Gruppierungen wie einem deutschen Schützenverein und japanischen Samurai.

Doch die Faszination der 34 professionell gestellten Aufnahmen von Männerbünden weicht rasch einem Unbehagen an der Perfektion der Inszenierung. Sie Ausstellungsstücke wirken seltsam leblos, ja museal. Ich fühle mich an die Schaufenster von Modehäuser erinnert. Nicht nur, weil Schaufensterpuppen das vorherrschende Gestaltungselement dieser Ausstellung sind. Wie in Schaufenstern geht es allein um die Zurschaustellung der äußeren Hülle. Doch hat die Staffage in vielen Männergesellschaften nicht in erster Linie die Funktion, zu imponieren und Frauen und andere Nicht-Mitglieder einzuschüchtern? Über die Rolle der Männerbünde in der jeweiligen Gesellschaft ist mit der Ausstellung dieser Staffage wenig ausgesagt. Verführt durch die Attraktivität der Paraphernalia für das Museum verzichtet die Ausstellung darauf, die Männerbünde in ihrem jeweiligen Kontext darzustellen. Bezüge, die das Spektakuläre in den Alltag einzubinden vermöchten (denn Männerbünde sind ja durchaus alltägliche Erscheinungsformen patriarchaler Herrschaft), fehlen.

Die Puppen, welche die Derwische, Samurai, Burschenschaftler und andere darstellen, sind nicht nur leblos, sondern sie suggerieren auch die Geschichtslosigkeit der vorgestellten Männerbünde. Daß und warum sich solche Vereinigungen verändern, warum sie womöglich verschwinden, ist nicht Thema der Ausstellung. So unterstützt sie die gängige Vorstellung, daß sogenannte traditionelle Gesellschaften statisch seien, unverrückbare Sitten und Bräuche aufweisen. Gleich in zwei Abteilungen der Ausstellungen werden die Tolai aus Papua-Neuguinea bemüht, einmal mit dem tubuan. Der tubuan ist eine Geheimgesellschaft, die durch eine konisch zulaufende Maske und ein dazugehöriges Blätterkostüm verkörpert wird. Der tubuan erhebt Beiträge von Initianden; er verhängt Strafen und verlangt finanzielle Zuwendungen auch von Nicht -Mitliedern. In den 1960er Jahren schien es, als ob die Institution des tubuan, bedingt unter anderem durch den Einfluß christlicher Kirchen und durch größere Mobilität der jungen Männer, aussterben würde. In den letzten zehn Jahren erlebt dertubuan eine Renaissance, bedingt nicht zuletzt durch die Bildung einflußreicher Frauenorganisationen und das Infragestellen vergeblicher Selbstverständlichkeiten patriarchaler Kultur.

Ich finde es nicht selbstverständlich, daß in einer Ausstellung über Männerbünde Frauen nicht vorkommen. (Nur in einer Abteilung sind Frauen in sogenannten Männerberufen zu sehen.) Erst der Bezug auf die, die durch die Männerbünde von Macht und Wissen ausgeschlossen werden sollen, hätte der Ausstellung ihr folkloristisches Gepräge genommen.

Sind in unserer Gesellschaft nicht die informellen Männerklüngel wichtiger als die formellen, äußerlich identifizierbaren? Neben Rotariern, Freimaurern und Jecken hätten auch Akademiker, Juristen, Bankiers oder Politiker gezeigt werden können.

Den Beispielen aus außereuropäischen Gesellschaften ist das Exotische nicht genommen worden. Die Beispiele aus unserer Gesellschaft sind bewußt verfremdet worden. Fußballer werden durch das Fernseh-Fußballett eingeführt. Eine Installation des Kölner Künstlers Alexander Schmid mit lustigen beweglichen Figuren steht für den Rotary Club. Über die Beispiele aus fremden Ländern läßt sich's gut staunen, über die aus diesem Land gut schmunzeln. Eine Ausstellung zu diesem Thema sollte den BesucherInnen nahegehen, anstatt sie mit leichter Unterhaltung abzuspeisen.

Die Ausstellung vertraut auf die Wirkung der Exponate. Die Texte, in einem separaten Führer nachzulesen, sind zwar umfangreich, aber unauffällig. Auf große Schrifttafeln, wie überhaupt auf jegliche didaktischen Zeigefinger, wurde verzichtet. Die Exponate selbst sprechen lassen zu wollen, mag spannend sein. Doch hier bleiben sie weitgehend stumm. Die Ordnung und die Auswahl der 34 Fallbeispiele wirkeb eher zufällig. Dabei hätte sich doch aus dem kalkulierten Nebeneinander von Pfadfindern und Corpsstundenten, Derwischen und Mönchen ein Spannungsfeld ergeben können, mit dessen Hilfe die Ausstellungsmacherinnen die BesucherInnen mit ihrer Position hätten konfrontieren können.

Doch gerade da, wo eine Stellungnahme am sichtbarsten hätte sein können, bei bundesdeutschen Männerbünden (Karneval oder Schützenvereine, Rotary Clubs), wurde eine verniedlichende, allenfalls veralbernde Darstellung gewählt, die niemandem wehtut. Warum wurden nicht Installationskünstlerinnen eingeladen, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen?

Manche dieser Kritikpunkte werden hinfällig, wenn mann oder frau sich für sechs Mark Eintrittsgeld durch perfekt inszenierte Exotik unterhalten lassen möchte. Oder die Zeit aufbringt, den zweibändigen Katalog zur Ausstellung zu lesen. Dort werden Hintergründe und Zusammenhänge nachgeliefert. Der Katalog ist, anders als die Ausstellung, uneingeschränkt empfehlenswert.

K. Neumann

„Männerbande - Männerbünde. Zur Rolle des Mannes im Kulturvergleich“, eine Ausstellung des Rautenstrauch-Joest -Museums für Völkerkunde in der Josef-Haubrich-Kunsthalle Köln. Öffnungszeiten: täglich 10 bis 17, dienstags und freitags bis 20 Uhr, noch bis zum 17.6., Eintritt: 6 bzw. 4 DM

Gisela Völger/Karin v. Welck (Hrsg.): Männerbande Männerbünde. Zweibändige Materialsammlung, zusammen 60 DM

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