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Zweistaatlichkeit passe

Mit nahezu zweidrittel Mehrheit haben sich die Grünen für eine deutschlandpolitische Erklärung ausgesprochen, die sich auf der Erwartung einer schnellen Einheit beider deutscher Staaten gründet. Der von Realos und „Aufbruch“ eingebrachte Antrag lehnt aber den Anschluß nach Artikel 23 ab und plädiert für eine neue Verfassung, weil das bislang „durchaus tragfähige“ Grundgesetz in „ökologischer und radikaldemokratischer Hinsicht“ ungenügend sei. Die Bundesvorstandssprecherin Ruth Hammerbacher (Reala) meinte, zwar könne den Grünen das DDR-Wahlergebnis „nicht gefallen“, doch sei es demokratisch zustande gekommen. Und schließlich kämen nicht nur „deutschnationale Untertanen“, sondern auch das „Erbe der ersten gewaltfreien Revolution auf deutschem Boden“. Außerdem beinhalte die bislang abgelehnte Vereinigung auch „grüne Chancen“: Notwendig sei ein ökologischer Umbau in der DDR, ohne alle Fehler „noch einmal zu begehen„; eine Neuauflage des „Wirtschaftswunders“ bedeute dagegen den „Weg in den ökologischen Selbstmord“.

Die Mehrheit auch der Parteilinken räumte ein, die Argumente für die Zweistaatlichkeit hätten nach der DDR-Wahl zwar „nicht ihre Berechtigung, wohl aber ihren Widerhall verloren“. Der Berliner AL-Vertreter Harald Wolf sagte, das Wahlergebnis sei ein „Erfolg der Mitläufer und Wendehälse“. Wie die Realos formulieren die Alternativen als Bedingung für eine Vereinigung die Bestätigung der polnischen Westgrenze, politische Rechte für ausländische MitbürgerInnen und die Entmilitarisierung beider Staaten. Sie bezeichnen es aber als Illusion, daß die Grünen den Vereinigungsprozeß mitgestalten könnten; sie sehen die Aufgabe darin, „Widerstand gegen die schnelle Anschlußpolitik zu entfalten“. Aus diesem Grund fordern sie eine Oppositionskonferenz aller ökologischen, radikaldemokratischen und linken Gruppen aus beiden Staaten. Die Realos dagegen wollen nur mit den DDR-Grünen, dem Frauenbund und dem Bündnis 90 kooperieren. DDR-Vertreter Wolfgang Templin hatte in der Debatte betont, wer auf Zweistaatlichkeit beharre, mache sich politisch handlungsunfähig. Der „platte Nationalismus“ der CDU sei nicht mit dem „ebenso platten“ Gegenruf „Nie wieder Deutschland“ zu beantworten. Das Ergebnis werde lediglich ein „Fähnlein der sieben aufrechten Linken“ sein, die niemanden erreichten, so Templin.

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