: Porzellan zerschlagen
■ Litauen interessiert die Welt immer weniger / Landsbergis sträubt sich gegen Gorbatschows Forderungen
Berlin (taz) - In Litauen wiederholt sich die Geschichte derzeit im Wochenrhythmus. Sonntagabend rollten zum zweiten Mal innerhalb von acht Tagen Panzer durch Vilnius. Bei der ersten derartigen Stadtrundfahrt hatte es internationale Panik gegeben; diesmal blieb die Welt vernünftiger. Statt sich über die Sowjetunion aufzuregen, wurden konkrete Vorschläge gemacht, um die angestrebten Verhandlungen richtig in Gang zu bringen. Der Präsident der CSR, Vaclav Havel, bot an, eine Verhandlungsrunde in der Tschechoslowakei zu organisieren. Litauens Präsident Landsbergis nahm die Offerte an. Ob Moskau das auch tun wird, ist allerdings fraglich.
Die neue internationale Zurückhaltung ist auch darauf zurückzuführen, daß die litauische Führung viel diplomatisches Porzellan zerschlagen hat. So warf Landsbergis beispielsweise Finnland vor, keine selbständige Außenpolitik zu betreiben, da es nicht laut genug gegen Moskau protestiere. Auch der „Appell an die Völker der Welt“ wurde international eher belächelt.
So wird die Krise wohl doch innerhalb der Union behoben werden. Litauen schickte gestern Unterhändler nach Moskau, um Gorbatschows jüngste Forderung nach Aufhebung des Unabhängigkeitsbeschlusses zu diskutieren. Vorher erklärte Landsbergis aber, eine Erfüllung dieser Forderung sei „unmöglich“. Auch eine Volksabstimmung lehnte er noch einmal ab. Das sei eine sehr schwierige Prozedur, meinte er.
Ebenfalls gestern befaßten sich die beiden Kammern des Obersten Sowjets in Moskau mit Gesetzesvorlagen über die verstärkte Verantwortlichkeit für Anschläge auf die nationale Gleichberechtigung der Bürger und für gewaltsame Anschläge auf die Ganzheit des Unionsterritoriums.
D.J.
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