Feinde der Kultur

■ Galerieprojekt droht das Aus / Gemüseläden und haben Vorrang in Prenzlauer Berg / Raumvergabepraxis der KWV unklar

Eigentlich sollte die erste Ausstellung ja bis zum 10. April gehen. doch am 30. März begab sich ohne jede Zögerlichkeit ein Mann zum Hintereingang der Galerie, und bearbeitete das Schloß so lange, bis die Tür schließlich aufsprang. Nur dem Umstand, daß zufällig der Galerist Ingulf Johannes Zielke des Weges kam, ist es zu danken, daß die Ausstellungsstücke mit einem Versicherungswert von rund 130.000 Mark (in Worten: einhundertdreißigtausend) nicht erbarmungslos auf die Straße flogen. Ein Fall für die Polizei? Aber nicht doch - der zuständige ABV war ja bei dem Piratenstück anwesend!

Im November vorigen Jahres bewarb sich Johannes Zielke um eine Gewerbegenehmigung als freier Galerist. Gleichzeitig wies er einen seit langem leerstehenden Ladenraum in der Berliner Oderberger Straße 38 nach, den er für seine Zwecke nutzen wollte. Bei den zuständigen Stellen regte sich natürlich - nichts. Auch andere Leerstandsmeldungen verfehlten ihre Wirkung. Als Zielke dann am 7. Februar endlich seine Gewerbeerlaubnis erhielt, tat er das einzig vernünftig erscheinende: Er „besetzte“ den Laden, baute ihn aus und eröffnete die erste Ausstellung. Der zuständigen Wohnungsverwaltung 8 in Prenzlauer Berg war dies alles bekannt. Doch ähnlich wie bei dem im Aufbau befindlichen „Männerladen“ (siehe taz vom 31. 3.), entschloß man sich dort, die Kunst aus dem Stadtbezirk herauszuhalten und vergab die Räumlichkeiten per Zuweisung anderweitig. Ein Gemüsekrauter soll das Straßenbild verschönen. Der nach dem Willen der KWV zukünftige Nutzer der Räume machte sich mit dem noch tintenfeuchten Stück Papier auf den Weg und fand die Galerie verschlossen. Statt aber tags darauf zu den ausgehängten Öffnungszeiten seinen Anspruch anzumelden, rannte er zum ABV, der ihm dann bei dem eingangs erwähnten Einbruch zur Seite stand.

Um es auch heute noch einmal zu betonen: Gemüsehändler sind ebenso wie Bäcker, Fleischer oder Milchläden eine notwendige Einrichtung. Aber die derzeitige Raumvergabepraxis erwähnter KWV läßt den Verdacht zu, daß man dort weniger Versorgungseinrichtungen in den Kiez bringen, als vielmehr alternative Kulturprojekte herausdrängen will.

In der Gegend gibt es bereits zwei Galerien - eine staatliche, ins Kreiskulturhaus Prater eingebundene, und eine private Minigalerie. Diese wollten zusammen mit Johannes Zielke das Projekt „Im Dreieck“ auf die Beine stellen. Drei Galerien, in räumlicher Nähe, mit unterschiedlichen, sich ergänzenden Angeboten. Nun droht das Aus.

Olaf Kampmann