: FMLN: Regierung muß Zugeständnisse machen
Salvadorianische Regierung wird heute in Genf Gespräche mit der Guerilla wiederaufnehmen / FMLN: Wenn Cristiani keine Verhandlungsbereitschaft zeigt, gibt es neue Offensive / Ziel der Guerilla: Umwandlung in politische Partei, Teilnahme an sauberen Wahlen ■ Aus Perquin Ralf Leonhard
Die salvadorianische Befreiungsfront Farabundo Marti (FMLN) setzt große Hoffnungen in den bevorstehenden Dialog mit der Regierung, der heute in Genf unter Beteiligung des UNO -Generalsekretärs Perez de Cuellar stattfinden wird. Doch wenn die Regierung keine politischen Konzessionen macht, ist eine neue Offensive unausweichlich. Diese Perspektive legte Guerillaführer Gustavo Amaya in einem Gespräch mit der taz dar, das Ende März in den Bergen der salvadorianischen Provinz Morazan geführt wurde. Keine 20 Kilometer vom letzten Armeeposten entfernt, bewegt sich die Guerilla im Städtchen Perquin mit absoluter Sicherheit.
Amaya, ein ehemaliger Agronomiestudent, der unter seinem Uniformhemd ein Batman-T-Shirt trägt, spricht stellvertretend für Comandante Jonas, den militärischen Oberbefehlshaber der Ostfront. Die FMLN sei besorgt über Rechtsextremisten, die wieder an Terrain gewinnen würden, erzählt Amaya. „Es gibt Gruppen in der regierenden Arena -Partei und in der Armee, die neuerlich versuchen wollen, die FMLN militärisch zu besiegen. Wenn der gerade in Gang gekommene Verhandlungsprozeß wegen der Unnachgiebigkeit gewisser Leute nicht vom Fleck kommt, dann bleiben wenige Alternativen...“ Amaya hofft dennoch, daß eine Neuauflage der gewaltigen Novemberoffensive vermieden werden kann.
Vom Dialog mit der Regierung erhofft sich die FMLN eine schrittweise Entschärfung des Krieges, „bis wir uns in eine politische Partei verwandeln und an Wahlen teilnehmen können“. Nachdem sich Regierung und FMLN über Vermittlung der Vereinten Nationen mit Gesten des guten Willens entgegengekommen sind, ist der Weg für eine neue Dialogrunde frei. Die FMLN-Comandantes, die Chefs der politischen Opposition und Präsident Cristiani wurden der Reihe nach beim venezolanischen Staatschef Carlos Andres Perez vorstellig, der, ähnlich wie vor elf Jahren in Nicaragua, wieder eine Vermittlerrolle spielt.
Wann der Zeitpunkt für die Waffenabgabe kommt, kann Gustavo Amaya nicht genau einschätzen: „Das hängt von den Abkommen und deren Konkretisierung ab. Man kann den Krieg nicht von einem Tag auf den anderen abbauen“. Der bewaffnete Kampf verliere seine Berechtigung erst, wenn die Ursachen dafür beseitigt seien. Saubere und freie Wahlen nach dem Vorbild Nicaraguas seien jedenfalls eine Voraussetzung. Die FMLN wird bei den Verhandlungen in Genf erneut fordern, daß die Armee gesäubert wird, Reformen des korrupten Justizsystems und des Wahlgesetzes beschlossen werden und die Agrarreform weiter vorangetrieben wird. Für die FMLN bleibt unbestritten, daß erst die Novemberoffensive die Voraussetzungen für einen aussichtsreichen Dialog geschaffen hat. „Vorher herrschte im Lande und außerhalb völliges Desinteresse an einer Konfliktlösung“, meint Gustavo Amaya, der selbst in San Miguel an den Kämpfen beteiligt war. Die Opfer, die der Krieg vor allem von der Zivilbevölkerung gefordert hat - rund 1.000 Zivilisten wurden getötet, weitere 3.000-4.000 verletzt - habe man in Kauf nehmen müssen. „Das wichtigste Resultat ist vielleicht, daß die USA eingesehen haben, daß alles, was sie in zehn Jahren hier getan haben, gescheitert ist: die Professionalisierung der Streitkräfte, ihr Reformprogramm, das die Niederlage der FMLN zum Ziel hatte. Jetzt gibt es plötzlich im Kongreß Leute, die die Militärhilfe an Cristiani einstellen wollen.“
Die Wahlschlappe der Sandinisten in Nicaragua sei zwar ein moralischer Tiefschlag für die FMLN gewesen, erklärt Amaya, doch auf die Logistik der Guerilla werde sie sich nicht auswirken: „Wir haben unser geheimes Versorgungsnetz, das auch im Feindesland funktioniert.“ Man müsse die positiven Aspekte der Entwicklung in Nicaragua sehen: „Die Sandinisten haben bewiesen, daß man den neuen Avantgarden trauen kann. Diese Glaubwürdigkeit“, so hofft Gustavo Amaya, „wird auch auf die FMLN abstrahlen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen