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Querelen über Deutschlands Militär

Die Bonner Weigerung, über den künftigen Umfang einer deutschen Armee zu reden, führt bei den Wiener Verhandlungen zu Konflikten mit der UdSSR / Die Sowjetunion möchte den Deutschen nur 100.000 bis 200.000 Soldaten zugestehen / Westen verschiebt Diskussion  ■  Aus Wien Andreas Zumach

Die Position der Bonner Koalition, frühestens Anfang 1991 über deutliche Reduzierungen der Bundeswehr beziehungsweise einer künftigen gesamtdeutschen Armee verhandeln zu wollen, trägt zunehmend zur Stagnation bei den Wiener Verhandlungen über konventionelle Rüstung in Europa (VKSE) bei. Es zeichnet sich auch ab, daß diese Weigerung der wesentliche Konfliktpunkt mit der UdSSR bei den 4+2-Gesprächen über die „äußeren Aspekte“ der deutschen Vereinigung sein wird, die Ende April oder Anfang Mai auf Außenministerebene beginnen sollen. Bei einem kurzfristig anberaumten Treffen wollen die sieben Staaten der Warschauer Vertragsorganisation (WVO) ab Dienstag nächster Woche in Moskau versuchen, in dieser und anderen in Wien noch strittigen Fragen gemeinsame Positionen zu entwickeln. Zwar wiesen VKSE-Unterhändler mehrerer Nato -Staaten gestern gegenüber der taz einen Artikel der 'Frankfurter Allgemeinen Zeitung‘ vom vergangenen Donnerstag als „falsch“ und „Überzogen“ zurück, der im Bonner Außenministerium und unter Wiener Diplomaten für erhebliche Aufregung gesorgt hatte. Der Bonner FAZ-Korrespondent Feldmeyer hatte darin unter Berufung auf westliche Wiener Delegationen und Beobachter berichtet, die UdSSR „bremse“ in Wien absichtlich, weil sie vor einer VKSE-Vereinbarung zunächst eine Festlegung des künftigen Umfangs gesamtdeutcher Streitkräfte bei den 4+2-Gesprächen erreichen wolle.

Von einem „bewußten Bremsen“ könne keine Rede sein, hieß es dazu in der Delegation der USA wie anderer führender Nato -Staaten. Auch wenn es wegen der derzeit vorrangigen Beschäftigung der sowjetischen Regierung mit innenpolitischen Problemen sowie den „Resten alten Denkens“ im militärischen Apparat manchmal zu Verzögerungen bei der Umsetzung der Direktiven Moskaus bei den sowjetischen Unterhändlern in Wien komme, arbeiteten diese in den mit verschiedenen Details befaßten Arbeitsgruppen in der Regel „konstruktiv“ mit. Feldmayer habe sich nicht bei den Wiener Diplomaten, sondern „offensichtlich ausschließlich im Bonner Verteidigungsministerium informiert“. Doch aus Äußerungen Wiener WVO- wie Nato-Diplomaten wird zugleich deutlich, daß die Größe einer künftigen gesamtdeutschen Armee das zentrale Problem schon jetzt ist. Die Sowjetunion, aber auch andere osteuropäische Staaten sind nicht zuletzt aus historischer Erfahrungen mit den Deutschen an einer drastischen Reduzierung der derzeitigen Bundeswehr/NVA-Gesamtstärke von rund 650.000 Soldaten dringend interessiert. Moskau hat bisher offiziell keine Zahl vorgeschlagen, doch sind inoffiziell Größenordnungen zwischen 100.000 und 200.000 Soldaten zu hören, die den Deutschen zugestanden werden sollen.

Die BRD und die anderen Nato-Staaten betrachten dieses Thema für ein erstes Wiener Abkommen mit der Vereinbarung von Ottawa über eine Begrenzung der Stationierungstruppen von USA und UdSSR auf jeweils 195.000 als „abgeschlossen“. Über deutsche Soldaten und die anderer Staaten in Europa wollen sie erst in einer zweiten Wiener Verhandlungsrunde sprechen. Die soll nach Vorstellung von Bundesaußenminister Genscher zwar sofort nach der für Ende 1990 vorgesehenen Unterzeichnung eines ersten Wiener Abkommens beginnen. Das ist jedoch keine verläßliche Geschäftsgrundlage für Moskau, weil es hierrüber noch nicht einmal unter den 16 Nato -Staaten einen Konsens gibt. So plädieren Frankreich und künftig möglicherweise auch Ungarn und Polen für eine Erweiterung des bisherigen Verhandungsrahmens zwischen den beiden Blöcken auf die 35 KSZE-Staaten. Das bedeutete jedoch langwierige Verhandlungen über ein neues Mandat. Die von Genscher in Washington noch einmal bekräftigte, von den drei Westmächten unterstützte Bonner Haltung, auch bei den 4+2 -Verhandlungen Festlegungen auf einen künftigen Streitkräfteumfang zu vermeiden, verschärft das Problem aus Moskauer Sicht noch zusätzlich.

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