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Wacht Israel jetzt auf?

■ Hunderttausende demonstrieren für politische Reformen / Intifada geht weiter / Traf Arafat israelische Politiker?

Berlin (taz) - Der Kontrast konnte nicht deutlicher ausfallen. Während Jasser Arafat durch Europa reiste, sich vom Papst feiern ließ und vom italienischen Ministerpräsidenten Andreotti den Auftrag erhielt, zur Stabilität im Nahen Osten beizutragen, brachte Israels Möchtegern-Ministerpräsident Schimon Peres nach voreiligen Ankündigungen doch keine Regierung zustande. Bis zum Wochenende wollte er sie vorstellen, nun ist die entscheidende Parlamentssitzung auf Mittwoch verschoben worden. Peres verläßt sich darauf, daß er Abgeordnete des Likud-Blocks zum Absprung bewegen kann, indem er ihnen Minsiterposten anbietet.

Stabil läßt sich so etwas kaum nennen, vertrauenserweckend noch viel weniger.Den Israelis geht jetzt langsam ein Licht auf. Sie können nicht monatelang wegen eines unzureichenden politischen Systems den Friedensprozeß schleifen lassen und sich am Ende von der Welt die Schuld dafür geben lassen. 100.000 bis 250.000 von ihnen demonstrierten am Samstag in Tel Aviv für politische Reformen. „Sie (die Politiker) haben uns zum Gespött der ganzen Welt gemacht“, klagte ein Redner. Star-Refusenik Schtscharanski rief: „Jedes Volk hat die Regierung, die es verdient“. Ein Volksentscheid zur Änderung des Wahlrechts wurde gefordert, um den Einfluß der kleinen Parteien zurückzuschrauben.

Es wird aber mehr als nur eine politische Reform nötig sein. Die Intifada in den bestzten palästinensischen Gebieten geht nämlich weiter. Mindestens 19 Palästinenser wurden am Samstag im Gaza-Streifen verletzt, als Palästinenser gegen den Tod zweier Landsleute demonstrierten. Einer von ihnen war beim Versuch erschossen worden, auf einer Moschee die palästinensische Fahne zu hissen. Die israelsichen Soldaten drangen bei der Verfolgung auch in Krankenhäuser ein. In Ost-Jerusalem blieben die Geschäfte aus Protest gegen eine neue israewlische Steuerverordnung geschlossen.

Am Freitag war dort ein orthodoxer Jude aus den USA durch einen Messerstich schwer verletzt worden. Die Vorsitzenden der PLO-Teilorganisationen DFLP und PFLP, Nayef Hawatmeh und Georges Habasch, die als linksradikal gelten, appellierten unterdessen an die islamischen Fundamentalisten der „Hamas“, der Intifada-Führung beizutreten. Damit soll eine größere Geschlossenheit der Palästinenser erreicht werden. „Hamas“ ist vor allem im Gaza-Streifen präsent.

Am Wochenende machten in Israel außerdem Äußerugen von Jasser Arafat Furore, nach denen er mehrere Male zu Geheimgesprächen mit israelischen Spitzenpolitikern geführt hat. Darunter sollen sich auch Verteidigungsminister Rabin und der ultra-konservative Ariel Scharon befinden. Israel dementierte heftig. Aber wie lange wird es sich noch leisten können, gegen den wachsenden Unmut der USA und anderer Staaten seine Selbstisolierung aufrechtzuerhalten? Dies ist die nie beantwortete Frage, die das politische System in Israel gegenwärtig lähmt.

D.J.

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