: Grüne Bundesversammlung
■ betr.: "Die Grünen wählen den Ausgleich", "Vertrauen gibt es nicht zum Nulltarif", taz vom 2.4.90, "Präambel ein Sieg der grünen Basis", "Hurenmetaphorik", taz vom 3.4.90
betr.: „Die Grünen wählen den Ausgleich“, Tagesthema Seite 3, „Vertrauen gibt es nicht zum Nulltarif“ (Kommentar Nowakowski), taz vom 2.4.90, „Präambel ein Sieg der grünen Basis“, „Hurenmetaphorik“ (Kommentar Semler), taz vom 3.4.90
Die KV Braunschweig braucht sich überhaupt nicht auf die Brust zu klopfen. Das war kein Sieg der grünen Basis. Die geht nämlich schon gar nicht mehr auf solche Versammlungen. Tatsache ist nämlich, daß es die Grünen bis heute nicht geschafft haben, klare Positionen zu beziehen, den WählerInnen deutlich zu machen mit den Grünen geht die Reise dort und dort hin.
In 80 Prozent wichtiger Entscheidungen wurden Kompromisse beschlossen, nur damit hinterher gesagt werden konnte, hiermit können wir leben. Nur: und das ist der Knackpunkt, das ist unpolitisch. Ich werfe den Delegierten vor, unpolitisch zu sein. Der jetzt gefaßte Präambelbeschluß ist ein reiner Antiflügelbeschluß. Das reicht aber in der heutigen politischen Auseinandersetzung nicht aus. Und wer sich diese Präambel ernsthaft durchliest, wird feststellen müssen: nichtssagend, hohl, ohne Perspektive, nicht nachvollziehbar, mehr Anklage als Lösungsansätze, eine himmelschreiende Wortwahl dazu. Es geht keine Botschaft aus. (...)
Die Ewiggestrigen, also die, die noch immer vom Sozialismus träumen, sind aufgefordert in die PDS einzutreten. (...)
Und mein Wunsch an die Basis: Wacht wieder auf, mischt euch mit ein, kommt aus euren atombestromten Wohnzimmern und kämpft mit der Sonne für diese.
Jörg Köhler, Altbach
betr.: „Präambel ein Sieg der grünen Basis“, taz vom 3.4.90
Die Präambel unterstreicht das schwammige Profil der Partei. Angesichts des Meinungstiefs, in dem sich die Grünen befinden, hatte ich zumindest eine klare inhaltiche Offensive erwartet, statt dessen verhindert die konservative Parteibasis jede Weiterentwicklung. Und das in Zeiten des Umbruchs!
Schade nur, daß mit dem möglichen Scheitern der Grünen bei den kommenden Landtags- und Bundestagswahlen die Ökologie einen wichtigen Lobbyisten verliert (oder besser: verlieren wird).
Ralf, Ettringen
betr.: dito
Es ist eine taktische Meisterleistung der grünen Fundis, ihre politischen Vorstellungen als Antrag des Braunschweiger Kreisverbandes zu präsentieren und mit diesem Etikettenschwindel eine ganze grüne Bundesversammlung hinters Licht zu führen. Diesen Erfolg aber auch noch als „Sieg der grünen Basis“ auszugeben, zeugt nur noch von der Unverfrorenheit einer Sprecherin, deren Kreisverband in Niedersachsen schon lange als Deckadresse für Strömungsanträge bekannt ist.
Nur wer diesen Sachverhalt ignoriert, kann die verabschiedete Präambel des Grünen-Bundestagswahlprogramms „und ihren blendenden Schein für ein glänzendes und daher zu ändern unnötiges Sein halten“.
Dr.Reinhard Landmeier, Hagen
betr.: „Präambel ein Sieg der grünen Basis“, „Hurenmetaphorik“, taz vom 3.4.90
Es ist eben doch nicht ausreichend, wenn die Realogang um Joschka Fischer vereint mit den ihnen Zugewanderten aus dem Lager der Aufbrechenden das Maultier mit dem Namen Basis zäumt, sattelt und ihm eine ökologisch gezogene Karotte vor das Maul hält, seine Abgase katalytisch entgiftet und meint, nun sei genug geschehen. Auf dieser Basis könne man/frau nun Zukunft und Partei gestalten. Ganz so einfach ist das wohl doch nicht und allein das Verlangen das grüne Schaltpult bedienen zu wollen, garantiert noch lange nicht, daß sich der Unterbau nicht auch allein bewegen kann.
Und weite Teile des Unterbaus sind es einfach leid, von Realo- und Aufbruchabteilung nur aus der Dunkelkammer mit deren Wirklichkeit - die doch allgemeines Parteigut werden soll - versorgt zu werden. Kommt Licht dort hinein, so zeigen sich Konturen: Flurbereinigung ist angesagt. „Linke raus!“ ist die Parole, die Grünen glätten, schmiergeln, um sie nicht einmal mehr fähig sein zu lassen, in zentralen ökologischen Fragen und in der BürgerInnen- und Menschenrechtsbewegung eine herausragende, eine mitbestimmende Rolle zu spilen. Hier liegt die wesentliche Aufgabe, nämlich innerhalb der Neugestaltung Europas jenseits der Nationalstaaten ein soziales Europa der Gleichberechtigung auch der nicht europäischen Völker zu schaffen, ein Europa der Menschen- und BürgerInnen im Einklang mit der Natur. (In Ewigkeit, Amen! - Tschuldigung, aber es klingt zu schön, um wahr zu sein! d.S.)
Um kurz den wirklich verfehlten Kommentar von Christian Semler zur Programmpräambel mit einzubeziehen: Die politische und formale Anerkennung der DDR bedeutet nicht in einer betonierten Zweistaatlichkeit eingemauert zu sein, sondern heißt nichts weiter als DDR Gesellschaft und Einzelperson als gleichberechtigt und souverän anzusehen. Nur dies ermöglicht erst, daß ein Handel, eine Vereinbarung oder eine Vereinigung, so diese denn mehrheitlich und souverän gewollt wird, mit gegenseitigem Respekt stattfindet.
Gleichberechtigung und Souveränität sind aus dem Sprachgebrauch verbannt. Stasi, Umweltzerstörung, Armut und erlittene stalinistisch-bürokratische Unterdrückung ist noch lange keine Legitimation, DDR-Gesellschaft und Individuen zu demütigen. Genau das findet seit längerem statt - oder wurde nicht Übergangsministerpräsident Modrow von Kohl erniedrigt, als nicht gleich hingestellt und ist nicht das angedrohte Umtauschverhältnis von 1:2 eine Entwertung der Arbeit der Menschen in der DDR?
Würde und Anstand sind offenkundig verloren. Und natürlich ist es legitim, niemand sagt das Gegenteil, daß Bedürfnisse, Hunger, Lebensinteressen, Reiselust befriedigt sein müssen unbedingt -; aber dies ist das eine und das Leben innerhalb kapitalistischer Vergesellschaftungsklammern ein anderes. Das eine heißt nicht auch gleich das andere. Hier ist Trennungsschärfe angebracht.
Günter Schnelle, Braunschweig, Grünes Basismitglied
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