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Geschäft mit Orangen

■ Bonn kaufte über 33.000 DDR-Häftlinge mit Warengutscheinen frei

Hamburg (dpa) - Die Bundesregierung hat den Freikauf von über 33.000 politischen Häftlingen aus der DDR bis zum 9. November vergangenen Jahres nicht mit D-Mark, sondern mit Warengutscheinen bezahlt. Dies berichtete der Ostberliner Anwalt Wolfgang Vogel in einem Interview des Nachrichtenmagazins 'Der Spiegel‘. Mit dem Erlös wurden nach Angaben Vogels Versorgungsengpässe in der DDR-Bevölkerung beseitigt. Die erste Gutschrift im Jahre 1964 sei beispielsweise für Apfelsinen verwendet worden.

Nach den Worten von Vogel, der jahrzehntelang Beauftragter der SED-Führung für humanitäre Fragen war, kassierte Ost -Berlin seit 1977 pro Häftling eine Pauschale von exakt 95.847 D-Mark. Für den Gegenwert seien je nach Bedarf Güter eingekauft worden, die die DDR dringend benötigte - so zum Beispiel Erdöl, Industriediamanten, Kupfer und Konsumgüter.

Vogel schloß in dem 'Spiegel'-Interview aus, daß westdeutsche Politiker bei dem Geschäft Menschen gegen Ware mitverdient haben. Ein solcher Vorwurf war kürzlich von einem Mitglied des Bürgerkomitees zur Auflösung des Staatssicherheitsdienstes in Ost-Berlin erhoben worden.

Die finanzielle Seite der Freikäufe wurde auf westlicher Seite über das Diakonische Werk in Stuttgart abgewickelt. Für die Deutsche Demokratische Republik war der ehemalige Staatssekretär im Außenhandelsministerium, Alexander Schalck -Golodkowski, verantwortlich. Schalck war jahrelang der oberste Devisenbeschaffer der SED. Im Dezember vorigen Jahres flüchtete er nach West-Berlin.

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