: Prozeß um Nazi-Gruß auf Polizeiabschnitt 15
■ Ehemaliger Polizeibeamter steht wegen des Vorwurfs vor Gericht, seine Kollegen in einem Interview verleumdet zu haben
Ein ehemaliger Polizeibeamter, der nach neun Jahren Polizeidienst aus Gewissensgründen das Handtuch geworfen hatte, muß sich seit gestern wegen Verleumdung vor dem Moabiter Amtsgericht verantworten. Dem 29jährigen Johann Sch. wird zur Last gelegt, im Rahmen eines Interviews erklärt zu haben, daß sich Polizeibeamte des Abschnitts 15 in der Seestraße mit „zackigem Nazi-Gruß begrüßt“ hätten. Der Artikel mit der besagten Äußerung war im April 1989 von dem freien Journalisten Eberhard Seidel-Pielen in den Zeitungen 'Zitty‘ und 'Nordberliner‘ veröffentlicht worden. Der Bericht, in dem Johann Sch. unter vollem Namen mit den Machenschaften seiner Kollegen abgerechnet hatte, war bei der Polizei wie eine Bombe eingeschlagen: Der Nestbeschmutzer wurde vor den Kadi gezerrt.
Der Angeklagte, der im April 1988 aus dem Polizeidienst ausgeschieden war, machte gestern allerdings vor Gericht von seinem Recht auf Aussageverweigerung Gebrauch. Ein Kriminalbeamter, der die Ermittlungen geleitet hatte, schilderte, daß er anfangs zwei Ermittlungsverfahren bearbeitet hatte: eins gegen Johann Sch. wegen Verleumdung und eins gegen die Beamten des Abschnitts 15 wegen des Verdachts, beim Dienstantritt einen Nazi-Gruß entboten zu haben. Der Zeuge berichtete, daß er die Beamten einzeln mit der Bitte um Stellungnahme angeschrieben habe. Nachdem alle erklärt hätten, daß sie einen derartigen Nazi-Gruß „nie“ entboten hätten, sei das Verfahren eingestellt worden. Auf Nachfrage des Verteidigers von Johann Sch. stellte sich heraus, daß der Kripobeamte nur die Beamten des Abschnitts 15 angeschrieben hatte, die mit dem Angeklagten zusammen Schicht schoben. Aus dem Interview geht jedoch nicht hervor, daß der „Nazi-Gruß“ von einem dieser Beamten entboten wurde. Im Text heißt es: „Eines Tages, als ich zum Dienst auf die Wache 15 kam, mußte ich mitansehen, wie sich Kollegen mit zackigem Nazi-Gruß begrüßten.“
Der Prozeß wurde auf Mittwoch nach Ostern vertagt, nachdem der Verteidiger beantragt hatte, den Journalisten Seidel -Pielen zu der Frage zu vernehmen, ob die Informationen in dem Artikel wirklich von Johann Sch. stammen. Der Verteidiger ging in dem Antrag davon aus, daß Seidel-Pielen bestätigen wird, daß der Angeklagte ein solches Interview „nicht gegeben“ hat. Wenn Seidel-Pielen das bestätigt oder als Journalist von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch macht, wird die Staatsanwaltschaft in erhebliche Beweisnöte kommen.
Die im 'Zitty‘ und 'Nordberliner‘ veröffentlichten Artikel waren zu Beginn des Prozesses in voller Länge verlesen worden. In ihnen wird nicht nur der „Nazi-Gruß“ auf dem Polizeiabschnitt 15 angeprangert, sondern auch ausländerfeindliche Sprüche und „die Rechtslastigkeit“ der Polizei: Etwa „die Hälfte der Berliner Polizei empfindet Sympathie für die 'Republikaner'“, heißt es.
plu
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