: Aidstherapien: K(l)eine Erfolge, viele Probleme
Die Behandlung der HIV-Infektion stellt WissenschaftlerInnen immer noch vor eine schwer zu lösende Aufgabe / „Retrovir“ - ein wirksamer Hemmstoff mit beträchtlichen Nebenwirkungen / Therapieforschung reicht von der Impfung bis zur Prüfung gentechnologischer Methoden / Klinische Testung neuer Substanzen kaum möglich ■ Von Uli Marcus
Weltweit sind bislang einige hundert Millionen DM für die Erforschung von Aids ausgegeben worden. Das Ausmaß, in dem Aidskranke und HIV-Infizierte davon profitiert haben, bemißt sich derzeit nach einer durchschnittlichen Lebensverlängerung von ein bis eineinhalb Jahren und einer Verbesserung der Lebensqualität durch bessere Behandlungsmöglichkeiten der auftretenden Infektionen. Doch angesichts der Tatsache, daß Aids weiterhin eine tödliche Krankheit bleibt, können diese Erfolge nur ein Anfang sein.
Bisher ist in der Bundesrepublik nur ein Medikament im Handel, das die Vermehrung des HIV hemmt, das unter dem Namen „Retrovir“ vertriebene AZT (Azidothymidin). Zugleich können heute einige opportunistische Infektionen, die typischen Komplikationen der Aidserkrankung, besser behandelt werden. Als wichtigstes Beispiel sei hier die Lungenentzündung durch den Erreger Pneumocystis carinii genannt, der durch die einmal monatlich durchgeführte Inhalation mit dem Medikament „Pentamidin“ neuerdings wirksam vorgebeugt werden kann.
Grundsätzlich betrachtet, steht die Wissenschaft bei der Behandlung der HIV-Infektion vor einer nicht leicht zu lösenden Aufgabe. Erkrankungen, die durch Viren ausgelöst werden, sind allgemein schwer zu behandeln, da Viren den Stoffwechsel der Körperzellen für ihre eigene Vermehrung ausnutzen und Gegenmaßnahmen fast immer mit der Gefahr einhergehen, daß auch die normalen, lebensnotwendigen Stoffwechselvorgänge beeinträchtigt werden. Die HIV -Infektion ist zudem dadurch charakterisiert, daß sich das Virus nicht, wie bei den meisten anderen Virusinfektionen, explosionsartig vermehrt. Da sich die HIV-Infektion über einen Zeitraum von fünf, zehn oder fünfzehn Jahren entwickelt, kann man mit einer kurzzeitigen Behandlung keine längerfristigen Erfolge erwarten.
Bei der HIV-Infektion findet während einer relativ langen Latenzphase, die in der Regel ohne größere gesundheitliche Beschwerden verläuft, eine nur beschränkte Virusvermehrung statt. Nach einigen Jahren mündet diese Phase dann in ein Geschehen, in dem sich aus noch nicht ausreichend geklärten Gründen die Virusvermehrung enorm steigert und das Abwehrsystem zusammenbricht. Wartet man mit einer Behandlung bis zu diesem Zeitpunkt, dies zeigen zumindest die Erfahrungen mit Retrovir, läuft man Gefahr, zu spät zu kommen und den weiteren Ablauf nur noch verzögern, aber nicht mehr aufhalten zu können.
Zentrale Rolle der T-Helferzellen
Da die Vorgänge und Ursachen, die zum Ende der Latenzphase und zum Ausbruch der Erkrankung führen, noch nicht ausreichend geklärt sind, ist man auf Begleituntersuchungen angewiesen, um den Verlauf der Infektion zu kontrollieren. Doch die zur Verlaufskontrolle momentan erfaßten Laborwerte bieten nur ein grobes Raster, die den individuellen Unterschieden im Krankheitsverlauf nur ungenügend Rechnung tragen. Die derzeit häufigste derartige Untersuchung ist die Zählung der T-Helfer-Zellen, jener Zellen also, die eine zentrale Funktion in der Organisation der Abwehrtätigkeit des Immunsystems ausüben und die fatalerweise von HIV befallen werden. Neben dem Auftreten von ersten sichtbaren Krankheitssymptomen hat sich die Zahl der T-Helferzellen daher zu einem wichtigen Kriterium für den Behandlungsbeginn entwickelt. So wird auf Grund der Ergebnisse amerikanischer Therapiestudien der Einsatz von Retrovir bei weniger als 500 T-Helferzellen pro Mikroliter Blut diskutiert und der prophylaktische Einsatz von Pentamidin zur Verhütung von Lungenentzündungen wird bei Zellzahlen von unter 200 oder 150 Zellen pro Mikroliter empfohlen. Zum Vergleich: Ein gesunder Mensch besitzt 800 bis 1.500 Helferzellen.
Während auf der einen Seite die Vorgänge, die zur Erkrankung führen, nur bruchstückhaft bekannt sind, ist das HIV-Virus heute das wohl am gründlichsten untersuchte Virus. Die detaillierten Kenntnisse seines Vermehrungsprozesses führten zur Identifikation mehrerer Einzelvorgänge im Virusleben von HIV, in die man - zumindest theoretisch eingreifen könnte, ohne durch eine Therapie gleichzeitig auch die Wirtszellen des betroffenen Patienten zu schädigen.
Verfolgt man diesen vom Virus ausgehenden Ansatz, bietet sich zunächst der Vorgang der Anheftung und des Eindringens des Virus in die Zielzelle als Interventionspunkt an. Zwei Substanzen, die einige Zeit als Geheimtip unter Infizierten galten, für die aber noch kein Wirkungsnachweis erbracht wurde, sind das AL 721, eine Mixtur verschiedener Fette, und „Dextransulfat“ bzw. Abkömmlinge davon. Die Fettmixtur AL 721 soll die Zellmembran und/oder die Virushülle so verändern, daß die Anheftung des Virus an die Zelle erschwert wird. Bei Dextransulfat nimmt man ähnliche Wirkmechanismen an, weiß aber inzwischen zumindest soviel, daß es auf oralem Wege eingenommen nicht ausreichend resorbiert wird, um wirksam zu werden.
Antikörper aus dem Reagenzglas
In der Prüfung befinden sich auch mit gentechnologischen Methoden hergestellte Attrappen derjenigen Region der Wirtszelle, an die sich HIV andockt - sozusagen die Haltegriffe des Virus. Indem man dem Virus nun viele Attrappen, sogenannte CD-4-Moleküle (also Haltegriffe ohne Zelle) anbietet, versucht man es von seinem eigentlichen Ziel abzulenken. Dieses lösliche CD 4 hat aber den Nachteil, daß es sehr rasch wieder aus dem Blut verschwindet. Dem soll durch die Entwicklung der zweiten Generation dieser CD-4 -Moleküle begegnet werden, die durch Verkoppelung mit anderen Molekülen längere Zeit im Blutkreislauf verbleiben und währenddessen Viren an sich ziehen sollen.
Weitere in der Prüfung befindliche Substanzen sind mit modernen zellbiologischen Methoden „künstlich“ hergestellte Antikörper gegen die Bindungsregion auf dem Virus. Dazu infiziert man Versuchstiere mit HIV und isoliert diejenigen Blutzellen, die Antikörper ausbilden. Im Labor werden diese Blutzellen dann mit wuchernden Tumorzellen verschmolzen und schließlich durch ein Selektionsverfahren diejenigen Zellen „herausgefischt“, deren Antikörperprodukte gezielt gegen HIV gerichtet sind. Solche aus Tieren gewonnene Antikörper müssen dann allerdings für den Patienten noch „humanisiert“ werden.
Eine andere Substanz, die das Andocken des Virus verhindern soll, ist Peptid T. Dies ist eine Aminosäure-Sequenz, die eine ähnliche Struktur wie das Hüll-Protein, also das äußere „Kleid“, des Virus aufweist. Peptid T soll die Anschlußstellen („Haltestellen“) verkleben, an die sich sonst das Virus andocken könnte. Doch seine Wirkung ist noch umstritten.
„Umgeschriebenes“ Erbmaterial
Der nächste für eine therapeutische Intervention in Frage kommende Schritt ist die sogenannte Reverse Transkription. Damit wird jener Vorgang beschrieben, bei dem das Erbmaterial des Virus so umgeschrieben wird, daß es in das Erbmaterial der Zelle integriert werden kann. Da die Zellen das dafür notwendige Enzym nicht besitzen, bringt das Virus sein eigenes Enyzm mit und bietet somit einen sehr spezifischen Angriffspunkt. Dies ist der Punkt, an dem das Medikament Retrovir eingreift. Dieser Ansatz funktioniert auch praktisch, ist aber aus zwei Gründen nur beschränkt erfolgreich. Zum einen ist die Selektivität, mit der Retrovir mit dem Virusenzym interagiert, zwar hoch, aber auch normale Stoffwechselvorgänge werden beeinträchtigt, wodurch Nebenwirkungen entstehen - bei fortgeschrittenem Erkrankungsstadium häufiger als in frühen Stadien. Zum anderen kann das Virus mutieren und dadurch gegen dieses Medikament resistent werden.
Inzwischen sind Dutzende von Substanzen, die dem Retrovir ähneln und auf dieselbe Weise wirken, synthetisiert und im Labor getestet worden. Am weitesten fortgeschritten ist die Prüfung von Dideoxy-Inosin (ddI) und Dideoxy-Cytidin (ddC), die bereits in klinischen Studien am Menschen erprobt werden. Die Nebenwirkungen dieser Substanzen scheinen andere zu sein als beim Retrovir, und die dort beobachtete Resistenzentwicklung ersteckt sich nicht automatisch auf diese verwandten Substanzen. Falls die derzeit durchgeführten Studien, bei denen mit Ergebnissen im Laufe der nächsten zwei Jahre zu rechnen ist, erfolgreich verlaufen, werden diese Substanzen vermutlich in Kombination mit Retrovir eingesetzt werden.
Für die folgenden Schritte im Vermehrungszyklus des Virus sind auf kürzere Sicht einsetzbare Medikamente noch nicht absehbar. Es handelt sich dabei unter anderem um zwei Schritte, für die das Virus wiederum eigene Enzyme mitbringt: die Integration seiner Erbinformation in den Zellkern der Wirtszelle (Integrase) und die Zusammensetzung der einzelnen Bausteine zu einem infektiösen Virus (Protease). Für die Protease, das Enzym, welches den letzten Schritt bewerkstelligt, ist die Entwicklung von Hemmstoffen noch am ehesten zu erwarten. Ansätze, die auf die Verhinderung der Ablesung oder der Umsetzung der genetischen Information des Virus oder wichtiger Teile davon abzielen, sind noch in einem ganz frühen Entwicklungsstadium. Diese Ansätze gehen in die Richtung einer Gentherapie. Dabei wird versucht, künstlich hergestellte Erbinformationen in Körperzellen einzuschleusen. Die Suche nach den Hemmstoffen
Neben den skizzierten rationalen Ansätzen zur Entwicklung von Medikamenten gibt es weltweit eine Reihe großer Screening-Programme, mit denen empirisch Zigtausende von Substanzen auf ihre Hemmwirkung gegenüber HIV überprüft werden. Hier wird ganz einfach ausprobiert und so nach antiviralen Stoffen gesucht. Angefangen von chinesischen Kräutern bis hin zu afrikanischen Drogen. Findet sich eine Substanz, wird erst im weiteren Verlauf der Untersuchungen der Wirkmechanismus identifiziert. Auf diese Weise entdeckten belgische Wissenschaftler vor kurzem TIBO, eine dem Valium verwandte Substanz, die auf eine offenbar sehr spezifische Weise das Virusenzym Reverse Transkriptase hemmt. In kleinsten Mengen, die weit von einer zellschädigenden Konzentration entfernt sind, kann TIBO diesen Schritt der Virusvermehrung wirksam blockieren. Erste Versuche am Menschen haben begonnen. Allerdings ist die Synthese dieser Substanz so kompliziert, daß im Augenblick die Herstellung größerer Mengen noch nicht möglich ist.
Andere Substanzen, die durch derartige Screening -Untersuchungen entdeckt wurden, sind die Pflanzenextrakte Hypericin und Compound Q. Mit Compound Q gelang es in Laboruntersuchungen, HIV-infizierte Zellen selektiv zu zerstören. Daraufhin organisierten in den USA Betroffenengruppen unter Mißachtung der Vorschriften der Arzneimittel-Zulassungsbehörde FDA eine heftig umstrittene Therapiestudie mit Selbstversuchen. Mit diesem aus Verzweiflung und aus Protest gegen das langwierige offizielle Prüfungsverfahren gewählten Vorgehen wurden positive Wirkungen der Substanz dokumentiert, zugleich traten aber auch schwere Nebenwirkungen auf. Die offizielle Therapiestudie mit Compound Q ist noch nicht abgeschlossen.
Ein wichtiges Forschungsgebiet ist auch der Einsatz von immunmodulierenden Substanzen, also Stoffen, die die Reaktion des Immunsystems auf die HIV-Infektion beeinflussen. Hier werden sogenannte Botenstoffe eingesetzt, die gezielt Wachstum und Vermehrung von Abwehrzellen (zum Beispiel Makrophagen) stimulieren sollen. Da sich HIV in die Abwehrzellen einschleust, wird allerdings gleichzeitig auch die Vermehrung von HIV angeregt. Folglich müssen zusätzlich antivirale Substanzen in Kombination gegeben werden. Hier befinden sich die Experimente noch auf weitgehend empirischer Ebene, weil die Wirkmechanismen noch nicht genug erforscht sind. Eine Reihe von gentechnologisch herstellbaren Botenstoffen des Immunsystems wie Alpha-, Beta - und Gamma-Interferon und GM-CSF werden, bevorzugt in Kombination mit dem antiviral wirksamen Retrovir, getestet. Mit Imuthiol, einem anderen Immunmodulator, wurden in mehreren Studien gute Resultate erzielt, und die Herstellerfirma will jetzt in den USA und in Europa die Zulassung dieses Medikaments beantragen. Auch bei Imuthiol scheint eine Kombination mit Retrovir sinnvoll.
Ein weiterer Ansatz zur Verbesserung der therapeutischen Möglichkeiten ist das Drug-Targeting. Darunter versteht man die Entwicklung von „Taxen“ für Medikamente, mit deren Hilfe die Substanzen möglichst direkt an den Ort ihrer Wirkung transportiert werden. Wenn dies gelingt, können gegen das Virus auch Substanzen eingesetzt werden, die ansonsten nicht tolerierbare Nebenwirkungen entfalten würden. Die Überlegung ist im Grunde dieselbe wie bei der Entwicklung der Pentamidin-Inhalation. Als Infusion oder Injektion hat Pentamidin erhebliche Nebenwirkungen. Wird es inhaliert, gelangt es nur an den Ort, wo es in erster Linie wirken soll: in die Lunge. Als Mittel des Drug-Targeting kommt zum Beispiel die „Verpackung“ von Substanzen in eine Art Fetthülle in Frage, die erst in der Zelle, in die der Wirkstoff gelangen soll, aufgelöst wird.
Impfung und Eigenbluttherapie
Eine ganz andere Möglichkeit der Therapie wäre eine Impfung. Das Prinzip erscheint einleuchtend: Man spritzt ein unschädlich gemachtes Virus und bietet so dem Immunsystem den Krankheitserreger an, um es zu stimulieren. Dabei wird durch die Inaktivierung verhindert, daß der Erreger noch Schaden anrichten kann. Während bei anderen Virusinfektionen eine Impfung nur zur Vorbeugung eingesetzt wird, gibt es Hinweise darauf, daß eine Impfung bei schon bestehender Infektion mit HIV den Krankheitsverlauf verzögern oder gar den Ausbruch einer Erkrankung verhindern könnte. Entsprechende Beobachtungen wurden bei Experimenten mit Schimpansen und anderen Affenarten gemacht. Beobachtungen in ersten Studien mit HIV-infizierten Freiwilligen deuten in dieselbe Richtung.
Eine Methode, die an der Universitätsklinik Düsseldorf angewandt wird, die Autovakzination, (eine spezielle Form der Eigenbluttherapie) beruht auf einem ähnlichen Denkansatz. Den Patienten wird Blut abgenommen und daraus die mit HIV infizierten Lymphozyten isoliert. Nach der Inaktivierung von HIV kann das Eigenblut wieder gespritzt werden. Die Methode ist unter Fachleuten allerdings sehr umstritten, da die bisher vorliegende Dokumentation der Verläufe und Ergebnisse nicht dem wissenschaftlichen Standard entspricht.
Ein Nadelöhr für rasche Fortschritte in der Therapie ist gegenwärtig die klinische Testung neuer Substanzen und Kombinationen. Während fast jede Woche ein neuer Wirkstoff gegen HIV entdeckt oder entwickelt wird, kann man die Substanzen, die tatsächlich an Patienten erprobt werden, fast an zwei Händen abzählen. Die Gründe dafür sind vielfältig. Zum einen fehlen geeignete Tiermodelle. Das einzige Versuchstier, das sich mit HIV infizieren läßt, ist der Schimpanse. Und auch er erkrankt nicht an Aids. Aber auch die wissenschaftliche Infrastruktur ist auf eine Reihe von Problemen nicht vorbereitet und darüber hinaus sind Fragen des Studiendesigns und der Erfolgskontrolle noch nicht befriedigend gelöst. Universitätskliniken, an denen bisher die meisten Therapiestudien durchgeführt wurden, werden in der Regel erst von schwer erkrankten Patienten aufgesucht. In Europa sind daher die Patientenzahlen an den einzelnen Kliniken in der Regel relativ klein. Aber auch die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Kliniken ist unterentwickelt. Und der Zugang zu weniger schwer erkrankten Patienten in den Vorstadien von Aids, die von niedergelassenen Ärzten betreut werden, fehlt oft gänzlich. Die Einrichtung von Studienambulanzen oder die Einbeziehung niedergelassener Ärzte scheitert bisher vor allem an Finanzierungsfragen.
In den USA, wo die großen Patientenzahlen noch am ehesten breit angelegte Studien ermöglichen, hat ein großer Teil der aus Minderheiten und Randgruppen kommenden Patienten auf Grund des anderen Krankenversicherungs- und Gesundheitsversorgungssystems keinen Zugang zu einer kontinuierlichen gesundheitlichen Betreuung. Dasselbe gilt in noch viel größerem Maße für Länder der Dritten Welt.
Ein zusätzliches Problem ergibt sich bei der Erfolgskontrolle. Nimmt man das Kriterium der Lebensverlängerung oder der Verhinderung des vollen Ausbruchs von Aids als Parameter für die Wirksamkeit eines Medikaments, sind Studienlaufzeiten von ein bis zwei Jahren die Regel. Über die Aussagefähigkeit anderer Parameter wie etwa der Virusmenge liegen noch keine Erfahrungen vor, da entsprechende Methoden erst in letzter Zeit entwickelt wurden.
Wie ein roter Faden zieht sich ein Grundproblem durch die Behandlung des Themas Aids. Es fängt an bei der Prävention, deren Effektivität unter Halbheiten und politischen Rücksichtnahmen leidet, und schlägt sich bei der Therapieforschung in den Problemen klinischer Studien nieder. Der politische Wille, zu adäquaten Lösungen zu gelangen und dazu bestehende Tabus oder tradierte Verfahrensweisen in Frage zu stellen, fehlt. Dringend notwendig wären Studienzentralen, die mit den niedergelassenen Ärzten zusammenarbeiten. Ähnlich dem Modell der Krebs-Schwerpunktpraxen müssen auch die Praxen mit Aidspatienten in die Forschung integriert werden. Nur so können Therapieerfolge und -probleme ausgewertet und umgesetzt werden. Aber solange die Betroffenen selbst keinen Druck hinter ihre Anliegen setzen, wird sich daran wenig ändern.
Der Autor ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Aids-Zentrum Berlin
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