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Mehr Miete für Aus- und Übersiedler

■ Spandauer Sozialstadrätin Renate Mende (SPD) will Privilegien für Aus- und Übersiedler bei der Unterbringung in Übergangungseinrichtungen abschaffen / Konsens bei Kollegen aus anderen Bezirken, Kritik bei der AL / „Verheimung“ soll bekämpft werden

Aus-und Übersiedler sollen in Zukunft bei der Unterbringung in „Übergangseinrichtungen“ stärker zur Kasse gebeten werden.

Bislang zahlen sie für ihre Unterbringung in „Übergangseinrichtungen“ einen Eigenanteil zwischen 150 Mark (Einzelperson) bis 350 Mark (Ehepaar mit fünf oder mehr Kindern) unabhängig, ob und wieviel Einkommen sie aufweisen. Damit sind sie bislang besser gestellt als zum Beispiel Obdachlose oder Flüchtlinge, die ohne Wohnung sind. Diese müssen, sofern sie Arbeit haben, die Unterbringungskosten in voller Höhe selbst tragen.

Nach einem Vorschlag der Spandauer Sozialstadträtin sollen Aus-und Übersiedler nun je nach Höhe ihres Monatsverdienstes dazuzahlen - und zwar 30 Prozent des Gehaltsanteils, der über dem Sozialhilferegelsatz von 445 Mark liegt.

Dieser „Schonraum“ müsse den Aus-und Übersiedlern nicht mehr zugebilligt werden, erklärte Frau Mende. Es handele sich hier um Menschen, die ohne „konkrete Planung“ ihren Wohnsitz in der DDR freiwillig aufgegeben hätten, keinesfalls aber aus politischer Not hergekommen seien.

Zustimmung für die Gleichstellung signalisierten auf Anfrage der taz gestern mehrere SozialstadträtInnen aus anderen Bezirken. In der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales werden ähnliche Überlegungen nach Angaben von Pressesprecher Thomas Gallon schon länger angestellt und sollen auch umgesetzt werden.

„Vermutlich zum Sommer hin“ - so Gallon - wolle man die Kostenbeteiligung für die Aus-und Übersiedler erhöhen, denen man das finanziell zumuten könne.

Hintergrund des parteiübergreifenden Konsenses unter den Sozialstadträten ist unter anderem die Befürchtung, daß sich Aus-und ÜbersiedlerInnen trotz der extrem beengten Verhältnisse mit ihrer Situation arrangieren. Man müsse aufpassen, daß keine „Verheimung“ stattfinde, so der Neuköllner Sozialstadtrat Mey.

Aus- und ÜbersiedlerInnen ohne finanzielle Probleme blieben nach Ansicht von Sozialstadrätin Mende oft länger als nötig in den billigen Übergangseinrichtungen, um Rücklagen zu bilden oder die „erträumte Wohnung zu suchen“. So würden manche ÜbersiedlerInnen Wohnungen mit Ofenheizung ablehnen. Wohnungen mit ausländischen Nachbarn seien ebenfalls schwer zu vermitteln.

Auf Kritik stieß die Spandauer Initiative dagegen bei der AL. „Über die Erhöhung der Miete Druck auf die Leute zu machen“, sei falsch, erklärte der sozialpolitische Sprecher der AL-Fraktion, Michael Haberkorn. Haberkorn räumte zwar ein, ein gewisser Eigenanteil würde den Einkommenstärkeren nicht weh tun, aber „das wird den Leuten auch nicht schneller Wohnungen beschaffen“.

Der AL-Politiker fordert statt dessen einen verstärkten staatliche Zugriff auf die Wohnungsvergabe. Einen entsprechenden Antragsentwurf, der unter anderem einen stärkeren Zugriff des Senats auf die Belegung von Sozialwohnungen vorsieht, hatte Haberkorn bereits Mitte Januar der SPD vorgelegt. „Bislang keine Reaktion.“

Andrea Böhm

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