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Mit Subventionen den Frühling überlisten

Am Wochenende beginnt die Eishockey-Weltmeisterschaft in der Schweiz, an der sich zeigen läßt, wie solche Veranstaltungen heutzutage organisiert sind: Die Einnahmen werden privatisiert, die Ausgaben sozialisiert  ■  Von Felix Adank

Rene Fasel, Präsident des Schweizerischen Eishockey-Verbands (SEHV), holte vor zwei Jahren die Eishockey A-WM 1990 in die Schweiz. Mindestens eine, besser zwei Millionen Franken sollten für den SEHV herausschauen, hoffte er. Zum Zweck der besseren Verwaltung des erhofften Gewinns gründete der rührigen Präsident den Verein Eishockey WM 90.

Nun zeigte sich aber, daß Fasels Begeisterung nicht überall geteilt wurde. Insbesondere die Suche nach einem Austragungsort für das Eishockey-Spektakel verlief äußerst harzig. Am Schluß blieben nur Freiburg - Fasels Heimat - und Bern als Bewerber übrig. Der Hockey-Präsident hatte Glück: beide Städte machen mit, Bern als Haupt-, Freiburg als Nebenschauplatz.

Und weil ein solcher Anlaß heute ohne Mitfinanzierung der öffentlichen Hand nicht mehr möglich ist, sollen Eidgenossenschaft, Kanton und Stadt Bern eine Defizitdeckungsgarantie von 2,1 Millionen Franken leisten. Aufschlußreich die Begründung: „Hauptgrund hierfür ist vor allem das Fehlen maßgeblicher Werbeeinnahmen, da die entsprechenden Rechte durch den Internationalen Eishockey -Verband IIHF erstmals vollumfänglich an einen privaten Dritten abgegeben worden sind.“ Mit anderen Worten: Die Einnahmen werden privatisiert, die Ausgaben sozialisiert.

Was die Botschaft ans Parlament schamhaft verschweigt: Die verlangte Defizitdeckungsgarantie ist auch Folge der pittoyablen Leistung unserer Eishockey-Nati in Oslo; anstatt in die A-Klasse aufzusteigen, was anständigerweise von ihr erwartet werden mußte, ließen die Eidgenossen Norwegen den Vortritt. Ohne Schweizer Nati werden einige zehntausend Hockeyfans weniger in die Berner Eishalle pilgern.

Den Schaden haben die Organisatoren, denn ihre Einnahmen beruhen fast ausschließlich auf den verkauften Eintrittskarten. Aber da gibt es ja noch den Staat. So sollen sich nun Bund, Kanton und Stadt Bern am prognostizierten Defizit von 1,8 Millionen Franken beteiligen; den „Gewinn“ haben sich Fasel und sein WM-Verein längst abgeschrieben.

Die Zürcher Firma Brandenberger und Ruosch hatte dafür den langsamen Bernern vorgerechnet, wie sehr diese von der Eishockey-WM profitierten: „Konservativ gerechnet“ - so Projektmanager Albert E.Frieder -, könne die Wirtschaft von Stadt und Region Bern mit einem zusätzlichen Umsatz von 13,4 Millionen Franken rechnen. Auch der Fiskus schöpft 1,7 Millionen ab, vorausgesetzt, die zusätzlichen Einnahmen werden deklariert. An direkten Billettsteuern sollen der Stadt Bern Einnahmen von 550.000 Franken zufließen. Nicht zu vergessen der PR-Effekt für die Städte Bern und Freiburg.

Herr Fasel spricht nicht gern übers entgangene Geld

BRF-Projektleiter Frieder plant auch Sportanlässe ohne Staatskrücken, beispielsweise die Fußball-WM 1998 mit Stadionprojekten in Basel, Bern und Genf. Wieso, bitte schön, ist das für die Eishockey-WM in Bern nicht möglich? „Möglich wäre es schon“, runzelt Frieder die Stirn. Doch die neue Regel über die Verteilung der Werbe- und Fernsehgelder zwischen Internationalem Eishockey-Verband IIHF und WM -Veranstalter schlage auf die öffentliche Hand durch. „Himmeltraurig“, sagt Veranstaltungsprofi Frieder.

Rene-Nicolas Fasel, den ich in Freiburg besuche, war diese „himmeltraurige Regelung“ bekannt, als er seine Eishockey-WM in die Schweiz holte. Er hat ihr sogar selber zugestimmt, 1986 als SEHV-Verbandsvertreter am IIHF-Kongreß in Colorado Springs. Partizipierten die Organisatoren einer WM bisher mit 60 Prozent an den Reklamegeldern und mit 40 Prozent an den Fernsehgeldern, so bleiben den Veranstaltern in Bern noch kümmerliche 25 beziehungsweise 20 Prozent. Dem Verein Eishockey-WM 90 entgehen dadurch Einnahmen von rund einer Million Franken.

Fasel sitzt mir in seiner Zahnarztpraxis am Boulevard des Perolles in Freiburg gegenüber, kurzärmlig und leutselig, ein leidenschaftlicher Eishockeyaner - und Hitzkopf. Fasel, der in jungen Jahren „den Puck mit den Zähnen packte“, liebt das Wort challenge, die Herausforderung.

Er spricht nicht gerne übers entgangene Geld. Schmerzen tut eher die verpaßte Chance, das Berner Allmend-Stadion WM -gerecht zu sanieren. Für Rene Fasel sind die in bauliche Provisorien investierten anderthalb Millionen „verlochets Gäld“. Wenn er von Calgarys Saddle-Dome oder Stockholms Globe-Stadion erzählt, gerät er ins Schwärmen. Da werde Eishockey zelebriert, paßten jene Zuschauermengen hinein, die Stimmung und Millionengewinne versprechen. Das Geschäft, welches er einst erträumte, machen andere, zum Beispiel die CWL-Werbung in Fruthwilen, „Werbepartner“ des IIHF.

Also auf ins thurgauische Fruthwilen, Teil der Gemeinde Salenstein. Der in dezentes Blau gekleidete Herr, der mich empfängt, heißt mit Vornamen Cesar, was zusammen mit der prosaischen Fortsetzung W. Lüthi das Firmenkürzel CWL ergibt. Nach anfänglichem Widerstreben hat dieser Cäsar der Sportwerbung einem Gespräch zugestimmt. C.W. Lüthi wird sekundiert vom Managing Director der Telesport AG, Volker Kösters, vormals Chefredakteur der privaten Seichtfernsehstation RTLplus. Die Telesport AG ist Cesar W. Lüthis jüngstes Kind, gegründet im Oktober 1988 im Hinblick auf die Eishockey-WM 89.

Werbemann Lüthi hat das „magische Dreieck“ aus Sport, Wirtschaft und Medien gewissermaßen seiner Firma einverleibt und sich - 1987 - vom IIHF exklusiv die weltweiten Fernsehrechte gesichert. Der Preis: „weit über das Doppelte“ (Lüthi) jener halben Million, welche die Eurovision auszugeben bereit war. Stockholms Eishockey-WM sei in mehr Länder als je zuvor übertragen worden („plus 40 Prozent“), schwärmen die beiden Herren, „wir stehen am Beginn einer neuen Ära“. In Bern wird allein das Schweizer Fernsehen seinen Zuschauern 40 Stunden Eishockey in die gute Stube liefern.

Lüthi nennt weitere Zahlen: 900.000 Franken hat er sich die Fernsehrechte kosten lassen; 4,7 Millionen Franken bezahlt er dem Internationalen Eishockey-Verband IIHF für die Werberechte.

Soviel zu den Ausgaben. Das Geld - und möglichst viel dazu

-holt Lüthi mit Bandenwerbung wieder herein: 480.000 Franken kostet so ein werbemäßig beschriftetes Rechteck von 80 mal 480 Zentimetern. Die Rechnung ist einfach: 180 Meter Bande umgeben ein Eisfeld. Macht mindestens 36 Werbebotschaften, die der CWL über 17 Millionen Franken Einnahmen bringen. Und hinter der ersten Bande hat's im Allmend-Stadion eine zweite. Und weitere Werbeflächen allüberall.

Doch das ist nicht alles: Hinzu kommen die Gelder der WM -Hauptsponsoren Schweizerische Kreditanstalt, Nissan und Siemens-Albis. Plus die Gelder aus Verträgen mit den öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehanstalten.

Cesar W. ist seinerseits ein Mäzen, sorgt für seine dreißig Mitarbeiter und den Sport. Zudem habe er, Lüthi, im ersten Vertragsjahr mit dem IIHF 1981 über eine Million Defizit tragen müssen, im letzten Jahr für den unrentablen Eishockey -Europacup 600.000 Franken „in den Sand gesetzt“. Bei CWL gelte folgende „Philosophie“: 1. Zuerst steht der Sport. 2. Vermarktung desselben, möglichst flächendeckend. 3. Dem Sport sollen wieder Gelder zufließen.

Daß auch der CWL Gelder zufließen und wieviel gehört nicht zu Lüthis „Philosophie“. Dazu schweigt er.

Fürs Tandem Lüthi/Kösters ist die Berner Eishockey-WM ohne Risiko: Dank Fernsehübertragung sind die Werbeeinnahmen gesichert, unabhängig vom Publikumsaufmarsch. Für die Werbephilosophen aus dem Thurgau ist klar, daß der Schweizerische Eishockey-Verband nach dem Abschneiden der eigenen Mannschaft an der letzten WM in Oslo und mit diesem hoffnungslos veralteten Berner Eisstadion die WM hätte zurückgeben müssen.

„Grenzkostenoptimierung“ und „Umwegrentabilität“

Lüthi begreift nicht, weshalb die Stadt Bern für den Großanlaß Eishockey-WM baulich nichts investiert. Defizitdeckungsgarantien für bauliche Provisorien, wie dies in Bern der Fall ist - da schüttelt Kösters nur den Kopf: „Das Geld hätte man auch gleich in den Kamin schmeißen können!“ Und Cesar W. Lüthi beteuert feierlich: „Ich, die CWL wäre sofort bereit, global die Verantwortung für die Veranstaltung Eishockey-WM zu übernehmen - ohne öffentliche Gelder.“

Mit dieser Aussage zurück nach Bern, um sie einem magistralen Troubleshooter unter die Nase zu reiben. Als im letzten November der Eishockey-WM-Expreß steckenzubleiben drohte, half der Berner Regierungsrat und Finanzdirektor Ueli Augsburger (Schweizerische Volkspartei) dem Karren aus dem Dreck: Unter der Federführung seiner Direktion fanden Bund, Kanton und Stadt jenen Konsens, der eine Beteiligung der öffentlichen Hand an der Eishockey-WM ermöglichte. Daß damit Gewinne privatisiert, Kosten hingegen sozialisiert würden, hört er gar nicht gern.

Man müsse das anders sehen: „Wenn die Bevölkerung Initiative zeigt in Harmonie mit den Zielen des Staates, müssen wir das unterstützen.“ Augsburger braucht Begriffe wie „Grenzkostenoptimierung“, „Umwegrentabilität“ und „return on investment„, um den volkswirtschaftlichen Nutzen der Eishockey-WM zu belegen. Unschätzbar schließlich die Werbewirkung, wenn 120 Fernsehstationen mit hie Bärn ihre Übertragungen begännen: „Mir chöi ja nid Prospäktli i aui Länder verteile!„

Daß die baulichen Investitionen für die Eishockey-WM 90 nur provisorischer Natur sind, bedauert auch Augsburger sehr und macht dafür die „Grünen“ verantwortlich, welche mit ihren (befürchteten) Einsprachen definitive Lösungen verunmöglicht hätten.

Man könne die Eishockey-WM 90 nicht „einseitig“ als kommerziell ausgerichtete Veranstaltung betrachten, meint Augsburger - und verteidigt auch den kantonalen Griff in die Sport-Toto-Kasse. Beiträge aus diesem Fonds sind an einen „gemeinnützigen oder wohltätigen Zweck“ gebunden. Laut Statuten der Sport-Toto-Gesellschaft sind ihre Mittel unter anderem „zur Unterstützung und Mitfinanzierung der sportlichen Erziehung der Jugend und des Amateursportes zu verwenden“. Also auch für eine professionell vermarktete Veranstaltung mit professionellen Sportlern? Regierungsrat Augsburger bejaht, gestützt auf „Abklärungen unabhängiger Juristen“.

Durch die Eishockey-WM 90 wolle der Internationale Eishockey-Verband IIHF - genauso wie ein gemeinnütziger Verein durch den Verkauf von Aasteckblüemli - zu Geld kommen. Daß der IIHF durch den Vertrag mit der CWL-Werbung risikolos „ein Maximum“ herausholen will, ist für Augsburger „okay“. Verständnis zeigt er auch für Cesar W. Lüthi: „Das ist noch gar nicht gesagt, daß der etwas verdient: Er trägt das unternehmerische Risiko!“

Immerhin: Die Defizitdeckungsgarantien sind gesprochen. Anders gesagt, die Verluste der Veranstalter trägt das Volk, die Gewinne gehen in private Taschen.

Mitte April 1990 kann's losgehen. Cesar W. Lüthi wird in der VIP-Lounge seine Kunden und Gewährsleute empfangen, das Organisationskomitee die Eishockey-WM über die Runden bringen - Rene Fasel wird Hände schütteln. Und während Russen, Tschechen, Schweden, Amerikaner und Kanadier den Eishockey-Weltmeister unter sich ausmachen, werden die Bernerinnen und Berner bereits Ostereier suchen oder im Gras die bereits reichlich vorhandenen Sonnenstrahlen des Frühlings genießen.

Im Berner Allmend-Stadion wird zur selben Zeit - national subventioniert - internationales Eishockey gespielt, und 265.000 Kilowattstunden Energie zur Aufbereitung des Eises werden mithelfen, den Frühling zu überlisten.

FELIX ADANK lebt und arbeitet in Bern. Er ist Stadtrat der grünen Partei-DA und Mitglied der Geschäftsprüfungskommission.

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