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Israel begrüßt Volkskammererklärung

■ Positives Echo in Jerusalem und den jüdischen Gemeinden / Regierung will jetzt konkrete Schritte sehen / Neue Curricula gefordert / Galinski hebt Verbindlichkeit der Formulierungen hervor / Verhandlungen über diplomatische Beziehungen nun erleichtert

Tel Aviv/Berlin (taz) - „Er mag überfällig sein, ist aber dennoch willkommen.“ Mit diesen Worten faßte Michael Schilo, Beamter des Jerusalemer Außenministeriums, die Reaktionen in Israel auf den am Donnerstag in der Volkskammer verlesenen Text zusammen, mit dem die Abgeordneten ein Bekenntnis der Mitverantwortung für das Schicksal der Juden unter dem Nationalsozialismus abgelegt hatten. Schilo hatte als Leiter einer israelischen Delegation mehrere Gesprächsrunden mit der DDR-Übergangsregierung unter Hans Modrow geführt. Schilo: Ein „sehr positiver Text“.

Führende israelische Politiker bliesen ins gleiche Horn, und auch die Presse des Landes zeigte sich zufrieden über die Erklärung der neuen Volkskammer. Die 'Jerusalem Post‘ titelte mit „Ostdeutschland übernimmt die Last des Holocausts“ - gemäß der hier üblichen Bezeichnung für die DDR. Ein Kommentator des Blattes stellte fest, daß mit der Erklärung die Forderungen Israels in dieser Hinsicht erfüllt sind. Allerdings habe die Resolution einen eher deklamatorischen Charakter, und entsprechende Entscheidungen stünden noch aus. „Die Intentionen der ostdeutschen Parlamentarier müssen in gesetzliche und administrative Schritte münden“, hieß es in dem Kommentar.

Dies entspricht den Forderungen Israels in den Vorverhandlungen. Beispielsweise liegt der Regierung in Jerusalem die Entwicklung entsprechender Curricula für den Schulunterricht sehr am Herzen. Weiter soll die DDR ihre Politik gegenüber dem Zionismus neu formulieren und in praktischen Gesten zeigen, daß eine Wende eingetreten ist. Ost-Berlin soll zudem seine bevorzugten Beziehungen zu arabischen Staaten aufgeben. Schließlich besteht Israel darauf, daß die DDR nicht nur mit der eigenen Regierung, sondern auch mit der Jewish Claims Conference in New York verhandelt, die sich mit Entschädigungsfragen befaßt.

Doch ungeachtet dieser Punkte kann man jetzt davon ausgehen, daß der weitere Dialog zwischen Israel und der DDR sehr viel einfacher sein wird als bislang. Innenminister Josef Burg kündigte bereits an, mit der DDR sollten nun diplomatische, wirtschaftliche und touristische Beziehungen entwickelt werden.

In West-Berlin begrüßte der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Heinz Galinski, die Volkskammererklärung „mit dem Ausdruck tiefer Genugtuung und Bewegtheit“. Mit dem Bekenntnis zur Verantwortung und der Verbindlichkeit der Formulierungen seien neue Perspektiven eröffnet worden. Die Erklärung könne sowohl für Deutschland als auch für Berlin zukunftsweisend sein. Galinski fügte hinzu, er sehe Gesprächen mit der neuen Regierung mit Erwartung entgegen.

Führende Vertreter der jüdischen Gemeinde in den Vereinigten Staaten begrüßten ebenfalls die Volkskammererklärung und setzten dabei ähnliche Akzente wie der halbamtliche Kommentar in der 'Jerusalem Post‘. „Die Entschuldigung muß von Taten begleitet werden“, sagte etwa Benjamin Meed, Vorsitzender der 65.000 Mitglieder zählenden jüdischen Vereinigung der Überlebenden des Holocausts. Und: „Diese Entschuldigung hätte 45 Jahre früher kommen müssen, aber Entschuldigungen sind immer eine gute Sache.“ Auch Philip Baum vom amerikanischen Jüdischen Kongreß bezeichnete die Entschuldigung als „zufriedenstellendes Zeichen“.

a.w./b.s.

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