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Ein Öko-Projekt gegen „zweite Enteignung“

■ Umweltarbeitsgruppe „Langerwisch“ stellt ein Modellprojekt gegen Dorfzerstörung für Selbsterhaltung in der Nähe von Potsdam vor / Verschönerung des Berliner Umlandes ohne große Industrie geplant / Eigentumsverhältnisse sind noch ungeklärt / Schreyer zeigt Interesse

22 Minuten vom Funkturm, elf Minuten vom Grenzkontrollpunkt Dreilinden, 1.000 Meter von der Autobahnabfahrt Saarmund. Soweit das Auge blickt, grün. Die Gemeinde Langerwisch bietet ideale Voraussetzungen für jeden D-Mark-jonglierenden Investitionshai aus der Welt des Kapitals.

Zwar gehört alles noch formal der DDR und damit dem Volk, aber das hat eine Zukunft für das Land vor kurzem abgewählt. Damit fallen irgendwann auch die Eigentumsverhältnisse, und die Gefahr ist groß, daß das Auge in naher Zukunft schon nach 100 Metern an grauen Beton oder kunterbunte Werbefassaden knallt. Damit das aber nicht die einzige Alternative für die Gemeinde bleibt, hat sich eine „Arbeitsgruppe Langerwisch“ gebildet. Die will aus dem Dorf ein Modellprojekt für Naturschutz und ökologische Dorferneuerung im Berliner Umland machen, was aber auf Probleme stößt, die größer sind als die Löcher in der Dorfstraße. In der DDR wurde zwar viel geplant, aber nur wenige durften mitmachen. Ein Flächennutzungsplan oder ein Bebauungsplan, unter Bürgerbeteiligung erstellt, war unvorstellbar. Das alleinige Nutzungsrecht für den größten Teil des Bodens unterliegt der LPG. Das heißt, sie bestimmt, wer mit ihr zusammen das Land wie nutzt. In den Chefsesseln sitzen noch die alten Strategen, und die wissen nur zu gut, daß die LPG nun eher stirbt als sie. Deswegen wollen sie sich und ihr Land mit viel D-Mark in die Zukunft retten. Die aber kommt meistens von Menschen, für die Ökologie nur Profitschneiderei ist.

Schlechte Karten also für die Umweltinitiative? „Ja und nein“, sagt Elisabeth Schröder, Mitglied der Grünen Partei (Ost) und engagierte Mitinitiatorin der Gruppe. Sie sieht die Gefahren auch, will ihnen aber offensiv begegnen. „Die Höfe sollen wieder renoviert werden und Platz bieten für kleine Handwerksbetriebe wie Tischlereien oder Töpfereien, die LPG soll umgestaltet werden auf artgerechte Tierhaltung und ökologischen Anbau.“ Damit soll erreicht werden, daß die Menschen sich wieder mit ihrer Umgebung identifizieren, wieder eine Identität bekommen, die es verhindert, daß das Land ohne Gegenwehr der Bevölkerung einfach aufgekauft werden kann. „Wenn reiche Westler hier einen Golfplatz in die Landschaft hauen, dann werden die Menschen hier nach der LPG zum zweiten Mal enteignet“, gibt Bernward Derksen, Architekt und Mitglied der AG, zu bedenken.

Das wichtigste für alle ist jetzt der Beschluß zur Aufstellung eines Dorfentwicklungsplanes. Der zuständige Rat der Gemeinde hat seine Bereitschaft dafür schon erklärt, aber wie der sich nach der Kommunalwahl zusammensetzen wird, ist so unklar wie das Schicksal der LPG-eigenen Schafherde, die wegen zu hoher Kosten schon vor Wochen unters Messer kommen sollte. Das verhindert zu haben, ist ein erster Erfolg der Öko-Gruppe. Damit bei der Planung Erfahrungen aus dem Westen mitgenutzt werden können, sendete die AG einen Unterstützungsaufruf über Radio 100. Karl Friedrich Schindler, Stadtplaner und Umweltberater aus Wessi-Land, unterstützt nun die Planungslaien aus der DDR. Umweltsenatorin Schreyer, die zum gestrigen Pressegespräch miteingeladen war, wäre auch grundsätzlich bereit, dieses Projekt „Dorfgestaltung“ zu unterstützen. Noch ist der Senat aber dafür nicht zuständig. Im zukünftigen Land Brandenburg aber wird die Gestaltung des Umlandes von Berlin ausgehen und damit kraft der Deutschen Mark auch von ihr.

Torsten Preuß

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