: Wollen wir den Lumpenmann?
■ Plädoyer für ein sinnvolles Recycling / Das erhalten, was sich als sinnvoll erwiesen hat
Als ein Vertreter des Umweltbundesamtes in Berlin (West) fragte, ob sich das bisherige Abfallrecycling-System der DDR gegenüber dem Einbruch der Marktwirtschaft behaupten könne und die DDR aus den Fehlern der BRD zu lernen vermag, hatte SERO-Direktor Kühne in Berlin (Ost) schon dicht gemacht. Zwar mit dem Bedauern, je weniger Altstoffe in den Kreislauf der Wiederverwendung gerieten, desto schneller wüchsen die Mülldeponien. Dies sei langfristig mit teuren Folgen für den Staat verbunden. Jetzt würde in den ganzen Laden erst einmal Ordnung gebracht und ein Schlußstrich unter die Betriebsbilanz gezogen. Ein Schlußstrich sicher, denn bei den stark gesenkten beziehungsweise ganz entfallenden Aufkaufpreisen und dem Grad des Umweltbewußtseins vieler wandert das meiste wohl doch kurzerhand in den Container.
Von der DDR geht eine bedeutende Umweltbelastung auch an die Nachbarländer aus. Und da ist das erste, was einem dazu einfällt, die Veränderung des weltweit als beispielhaft angesehenen Systems der „Sekundärrohstofferfassung“. Aus ökonomischen Gründen, wie es heißt, und noch dazu ohne Alternativen anzubieten. Die bunten Behälter made in West Germany sind das bestimmt nicht.
Warum sollte es nicht möglich sein, von dem - wie sich immer mehr herausstellt - ohnehin nicht allzu viel Bewahrenswertem wenigstens das beizubehalten, was tatsächlich auch von anderen, außer von uns selbst, anerkannt wird?
Ansonsten ist es wohl ehrlicher, sich wieder zum „Umweltbewußtsein“ früherer Zeiten zu bekennen. Da kam der Lumpenmann, der mit seiner großen Glocke klingelte, daß es laut über den Hof schallte, und erbat sich von allen: „Lumpen, Flaschen, Altpapier...“ Nur, wir sind nicht mehr ganz in den Zeiten von damals, er würde die Mengen gar nicht mehr schaffen. Und auf die Timur-Pionier-Trupps kann man sich heute auch nicht mehr verlassen, obwohl sie nun das ersammelte Geld sogar behalten könnten.
SERO-Kombinatsdirektor Hans-Joachim Schmidt machte Anfang April die Rechnung auf: Für zusätzlich anfallenden Hausmüll entstehen Kosten, die sogar über den bisher gezahlten Subventionen für Sekundärrohstofferfassung liegen können. Deshalb plädierte er unbedingt für den Erhalt der Annahmestellen.
Während sich schon genug Leute um DM und Wechselkurse die Köpfe heiß reden, sollten sich auch solche finden, die kühl (und kühn) mit den Pfennigen der Mark rechnen können, denn Kleinvieh macht auch Mist. Und wenn dieser wahllos weggekippt, sich anhäuft, stinkt er zum Himmel. Führt man ihn aber - das gilt für Stall- genauso wie für Haushaltsabfall - einer möglichst umfassenden Aufbereitung und Verwertung zu, werden Müllberge nicht unnötig größer, auch die Kosten für ihre Beseitigung nicht, werden wertvolle Rohstoffe eingespart, die wir Mutter Natur nicht unnötig entreißen müssen. Gibt es bessere ökonomische Argumente? Und - sie sollten eigentlich vorderan stehen - ökologische? Allerdings, wenn unsere Erde endlich aufgebraucht, ausgehöhlt und die Löcher mit Müll gestopft sind, brauchen wir uns keine Sorgen mehr um unseren blauen Planeten, um D -Mark und alles, was sonst noch darauf ist - oder war - zu machen, dann gibts ihn bald nicht mehr.
Aber so lange da noch ein Fleckchen Grün ist, ist noch Hoffnung, auch auf das Verständnis der SERO-Direktoren und derjenigen, die ihnen was zu sagen haben.
Ilsa Pries
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