: Flügel-Verrenkungen in der linken Opposition
■ Abgrenzungsbestrebungen bestimmen die Listenbildung für die Ostberliner Kommunalwah / Einigkeit nur im linken Mittelfeld / Bündnis und Grüne gehen für den Magistrat zusammen / Alternative Linke Liste (ALL) bleibt jedoch allein auf weiter Flur
Das Bündnis 90 und die Grünen in Ost-Berlin haben sich nun doch zu einem, wenn auch bedingtem Jawort entschlossen: Mit einem gemeinsamen Wahlprogramm, aber auf getrennten Listen wollen die beiden Gruppierungen zusammen zur Kommunalwahl schreiten.
Ein Entschluß, der für Beate Herzberg, Mitglied im Landes und Geschäftsausschuß von Demokratie Jetzt, nicht weiter überraschend ist: Man habe sich bereits vor den Volkskammerwahlen mit den Grünen zusammengesetzt, damals sei eine Zusammenarbeit jedoch gescheitert, da die Grünen zur Entscheidungsfindung erst noch ihren Parteitag abwarten mußten. Der wiederum gab grünes Licht, in der Folge einigten sich die beiden Gruppierungen auf die wesentlichen inhaltlichen Punkte, so daß seit gestern die gemeinsame Wahlplattform auf festen Beinen steht. Schwerpunkte sind ökologische Stadtplanung und Umweltschutz sowie das Bekenntnis zur freien Marktwirtschaft, wobei sich beide jedoch dafür einsetzen wollen, die Währungsunion erst nach dem wirtschaftliche Umbau einzuführen. Nicht einigen jedoch konnten sich die Grünen und das Bündnis 90, bestehend aus dem Neuen Forum, Demokratie Jetzt und der Initiative für Menschenrechte, auf eine gemeinsame Listenverbindung. Das Bündnis wolle nicht vom Status der Bürgerbewegung zur Partei avancieren, erklärte Beate Herzberg, im übrigen habe man diesbezüglich auch wenig Engagement von seiten der Grünen erfahren. Die wiederum treibt taktische Gründe, sich in dieser Angelegenheit nicht allzuweit aus dem Fenster zu hängen: Klug geworden aus den Streitigkeiten mit dem Unabhängigen Frauenverband um die Sitzvergabe in der Volkskammer befürchtet der grüne Wahlplattformbeauftragte Vollrat Kuhn, daß seine Partei nun ein ähnliches Schicksal ereilt: „Mit einer gemeinsamen Liste werden wir vom Bündnis dann möglicherweise so fest umarmt, daß wir daran ersticken können.“
Völlig indiskutabel dagegen ist ein gemeinsames Vorgehen mit der neugegründeten Alternativen Linken Liste (ALL), zusammengesetzt aus den marxistischen „Nelken“, der „Vereinigten Linken“, dem Unabhängigen Frauenverband, dem Demokratischen Frauenbund und der Alternativen Jugendliste. „Persönliche Ressentiments“ spielten dafür jedoch keine Rolle, erklärte Lotte Templin, Vertreterin der Initiative für Frieden und Menschenrechte. Doch der Plan einer möglichen Zusammenarbeit scheiterte bereits in der ersten Verhandlungsrunde. Der Grund: die Anwesenheit der Vereinigten Linken in der ALL, einer Partei, die bekanntermaßen von PDS-Positionen durchtränkt sei. Der erst 18jährige Wahlkampfleiter für „Demokratie Jetzt“ Oliver Aust, stößt ins gleiche Horn: „Marxistische Gruppierungen, die an der Planwirtschaft festhalten, können wir nicht mittragen.“
Die Geißel namens „links“, da sind sich Bündnis 90 und Grüne einig, muß abgeschüttelt werden - die ALL dagegen hat sich zusammengeschlossen, um gerade die linken Kräfte zu stärken. Dabei schließt es sich nach Ansicht einer Sprecherin vom Unabhängigen Frauenverband auch nicht aus, wenn viele der in der ALL organisierten Leute gleichzeitig auch engagiert in der PDS tätig sind. Schließlich hätten sich besonders die Frauen vom Demokratischen Frauenbund, ehemals Unterorganisation der SED, als „äußerst konstruktiv und wandlungsfähig“ erwiesen, rechtfertigt die Sprecherin des Frauenverbandes diesen Umstand. Bei dieser Art von Durchmischung soll es in Zukunft aber auch bleiben - einen Zusammenschluß mit der PDS strebt auch die ALL nicht an.
Ähnliche Verrenkungen haben das Bündnis 90 und die Grünen zu bieten: Sie üben sich im gemeinsamen Spagat, um sowohl konservative wie auch fortschrittliche WählerInnen zu befriedigen - das sogenannte „breite Mittelfeld“ also. Oliver Aust: „Unsere Bewegung ist nicht nur für linke, sondern generell für alle Bürger da.“
maz
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