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Duftende Zukunft mit 4711

■ Im DDR-Fernsehen ist das Werbezeitalter angebrochen

Über dem Kölner Abendhimmel geht ein leuchtender Stern auf: 4711! „Befreiende Frische“ verspricht eine sanfte Stimme den erwartungsvollen DDR-Fernsehzuschauern. Der altbackene Kölner Duftwasserhersteller, dessen Produkte hierzulande nur noch in den Handtaschen älterer Damen zu finden sind, will sich mit dem Werbespot neue KundInnenkreise in der DDR erobern. Und zwar nicht über den Umweg der Werbung in ARD oder ZDF, sondern direkt im DDR-Fernsehprogramm.

Am Dienstag abend um fünf vor sieben stand der erste Werbeblock im Deutschen Fernsehfunk (DFF) auf dem Programm. Ansagerin Andrea Horn erklärte vorher dem gespannten Publikum, warum im DDR-Fernsehen nun sein darf, was jahrzehntelang als Auswuchs westlicher Dekadenz verpönt war. Die Werbung solle dazu dienen, die Zuschauerwünsche nach Kunst und Kultur, Unterhaltung und Information „im umfassenden und weltoffenen Sinne“ im TV finanzieren zu können. Zwischen 10.000 und 30.000 D-Mark kassiert die Ostberliner DFF-Tochterfirma Tele-Kommerz nach Angaben ihres Geschäftsführers Hans Klennert für eine halbe Sendeminute.

Die ersten der fünf- bis siebenminütigen Werbeblöcke, die meistbietend versteigert worden seien, hätten zusätzlich rund 300.000 D-Mark eingebracht, sagte Klennert der Nachrichtenagentur 'ap‘. Diese Summe sei zum Wiederaufbau des Neuen Museums auf der Ostberliner Museumsinsel gespendet worden.

Neben 4711 hatte auch die Opel AG mit einem Höchstgebot ein Stück der begehrten Premierenzeit ersteigert. Der Automobilhersteller wirbt mit schönen Landschaftsbildern für eine saubere Zukunft, die ihre serienmäßigen Katalysator -Autos garantieren. Rowenta verspricht den DDR-Frauen zukunftsweisendes Dampfbügeln, Oil of Olaz die ewig junge Haut und mit den „Barbie-Prinzessinnen“ werden die Wünsche der jungen Puppenmütter angeheizt. DDR-Firmen haben bislang keine Werbezeiten gebucht.

Anders als in den öffentlich-rechtlichen Anstalten der Bundesrepublik flimmert die Werbung des DFF auch im Abendprogramm in die DDR-Wohnstuben. „Wir senden insgesamt 30 Minuten täglich in beiden Programmen“, erklärte Klennert. An Feiertagen und vor sowie nach Kindersendungen ist Reklame allerdings tabu, „damit die Kleinen nicht in einen Kaufzwang kommen“, fügte Klennert hinzu. Tabakerzeugnisse seien generell mit Werbeverbot belegt, alkoholische Getränke aber nicht. „Für einen guten Cognac darf geworben werden, allerdings erst nach 19.20 Uhr“, erläuterte der Tele-Kommerz -Direktor die Firmenphilosophie. Geschäftspartner des DFF ist die französische Werbeagentur IP, die auch auf dem bundesdeutschen Markt Werbezeiten anbietet.

Daß DDR-Firmen sich noch nicht um Werbezeit beworben haben, läge an der fehlenden Technik, um moderne Werbespots zu produzieren, erläuterte Klennert. Bislang werden alle Spots in bundesdeutschen Studios hergestellt. Finanzierungsprobleme Klenert langfristig jedoch nicht, denn: „Ehe der erste DDR-Spot gedreht wird, ist die Währungsunion ohnehin perfekt.“

utho

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