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Blowin‘ in the Wind

■ Landesregierung und Kreistag rügen Cuxhavener Verwaltung / Windenergie - Verhinderungspolitik hinterm Deich

Großenhain im südlichen Landkreis Cuxhaven. Aus der Marschenlandschaft ragt eine Windkraftanlage heraus, ein Storch im Salat mit schlaksigen Stelzen und dreiflügeligem Rotor. Bevor die 24 Meter hohe Mühle mit ihren 75 Kilowatt Leistung Gewächshaus und Wohnung der nebenerwerblichen Landwirte Angelika Weippert und Axel Viebrock heizen, deren Backofen und Wollwaschmaschine antreiben konnte, wurde sie zum behördlichen Ärgernis und zum Mahnmal gegen eine von vielen als restriktiv empfundene Genehmigungspraxis der Baubehörde des Landkreises Cuxhaven.

Wären die beiden Windenergieenthusiasten mit ihrem Förderantrag nicht so fix gewesen, das Bauwerk stünde auch drei Jahre nach Antragstellung noch immer nicht. So aber landete ihr Wunsch nach Landeszuschüssen unmittelbar nach der Einrichtung eines niedersächsischen Förderprogrammes zur Anwendung und Nutzung neuer und erneuerbarer Energien im Juni 1987 auf dem Schreibtisch des Ministers für Wirtschaft, Technologie und Verkehr. Und dessen Büro hatte fürderhin ein fürsorgliches Auge auf das private Projekt und seine kommunalen Widersacher. Das ging soweit, daß FDP-Minister Hirche sich brieflich über die Verfahrensweise des Landkreises

Cuxhaven beschwerte: „Ich halte es nicht mehr für hinnehmbar, daß eine einzelne Baubehörde in Niedersachsen die Energiepolitik der Landesregierung konterkariert“. Geärgert hatte den Minister die Argumentation des Ablehnungsbescheides. In einem Landkreis, der wie kaum ein anderer in Niedersachsen für eine effektive Windenergienutzung in Frage kommt, in dem aber abgesehen von den Vorzeigewindmühlen des regionalen Stromgroßhändlers Überlandwerke Nord-Hannover (ÜNH) im Windpark Nordheide keine nennenswerte Anlage steht, ein solch umweltverträgliches und energiebewußtes Privat-Vorhaben abzulehnen, weil das Landschaftsbild „beeinträchtigt werde“, veranlaßte ihn zur deutlichen Mahnung, „in die Abwägung der öffentlichen Interessen auch die Bemühungen der Landesregierung um eine umweltverträgliche Gestaltung der Energieversorgung“ einzubeziehen.

Nach der Nachhilfestunde aus dem Wirtschaftsministerium dauerte es nur noch wenige Monate, bis die Baugenehmigung erteilt wurde. Seit Inbetriebnahme im Dezember 1988 hat die Anlage etwa 100.000 Kilowattstunden produziert. „Je mehr wir selbst verbrauchen, desto wirtschaftlicher ist die Mühle“, resumiert Axel Viebrock die bisherigen Er

fahrungen. Weil ihnen aber die finanziellen Ressourcen für große Speicherkapazitäten fehlen, sind sie auch weiterhin auf den Ankauf von Atomstrom der ÜNH angewiesen, speisen aber gleichzeitig Windstrom ins öffentliche Netz ein. Zu Bedingungen, die Ausdruck der Wertschätzung privater Energieproduzenten ist. 9 Pfennig bezahlt die ÜNH pro Kilowattstunde, für 40 Pfennig müssen die beiden Strom ankaufen.

Wie wenig sich in den zwei Jahren am Verhalten des Landkreises geändert hat, erfährt derzeit der Schiffdorfer Arzt Frank Haamann. Er hatte im August vergangenen Jahres in einer Bauvoranfrage das Projekt einer 300 KW-Mühle angemeldet. Es wäre die größte im Landkreis und eine, die ausschließlich für das öffentliche Netz produziert. Betriebswirtschaftlich rentabel, wenn sie am richtigen Standort steht. Denn die Energieeinkunft potenziert sich mit der Zunahme der Windgeschwindigkeit um den Faktor 3. Den gewünschten Standort in Misselwarden direkt am Deich, dort wo stets eine ordentliche Brise weht, verweigerte jetzt die Baubehörde. Der Grund auch hier: Verschandelung des Landschaftbildes. In ihrem Ablehnungsbescheid vom 19.1.1990 geriert sich die Baubehörde als oberste Hüterin der Natur und Umweltbelange („Die hohe visuelle Ver

letzbarkeit dieses von linearer Charakteristik geprägten Raumes...“)

„Alberne Ablehnungsbegründung“ kommentiert Frank Haamann, für den die geplante Windenergieanlage „höchstes Risikogeschäft“ ist. Wie wählerisch Oberkreisdirektor Jürgen Prieß und seine Verwaltung mit der Sorge um das Wohl der Landschaft umgeht, belegt ein anderes Beispiel. Gegen die Errichtung eines Fernsehturmes in Schiffdorf, Höhe 146 Meter, fand sich keine „visuelle Verletzlichkeit“, keine „Überformung“ linearer Landschaftscharakteristik, kein Verlust von „Maßstäblichkeit“.

Daß ihr eigener Landkreis meilenweit selbst hinter der halbherzigen Energiepolitik der christlich-liberalen Landesregierung zurückbleibt, fuchst mittlerweile alle im Kreistag vertretenen Fraktionen. Auf Antrag der SPD forderten die Parlamentarier Ende März in einer einstimmig verfaßten Erklärung die Verwaltung auf, „ihre Genehmigungspraxis für privat erstellte Windkrafträder so zu ändern, daß solche Anlagen genehmigt werden können.“ Eine Ohrfeige für die eigenwillige Baubehörde und den dahinterstehenden Oberkreisdirektor.

Eine „unglückselige Mesalliance“ macht Frank Haamann als Grund der restriktiven Genehmigungspraxis aus. Die ÜNH, de

ren Gesellschafter die Preussen Elektra, Kommunen und Landkreise im nördlichen Niedersachsen sind, sehe ihr Stromversorgungsmonopol gefährdet. Bei einer so großen Anlage wie der seinen, seien eben „die Pferde scheu geworden“. Im Aufsichts

rat der Überlandwerke (wen wundert's) sitzen diejenigen, die qua Verwaltungsfunktion über die Existenz anderer Stromproduzenten zu entscheiden haben. Cuxhavens Oberkreisdirektor Jürgen Prieß ist einer von ihnen.

Andreas Hoetzel

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