: Sieben Monate als Republikaner
■ „Deutschland ganz rechts“ - Eine „beängstigende Fallstudie“, in der die Wirklichkeit bestehende Klischees über die Republikaner bei weitem Übertrifft / Legalistischer Anspruch wird demontiert
An Büchern über die Reublikaner mangelt es eigentlich nicht. Der Schock saß tief, als im Januar letzten Jahres die Rechtsradikalen unter der Führung von Franz Schönhuber aus dem Stand mit über sieben Prozent ins Berliner Abgeordnetenhaus einzogen. Zahlreiche Autoren haben seither versucht, dem Phänomen auf die Spur zu kommen, warum insbesondere unter den Jüngeren der Wählerschaft die Vorliebe für den Ex-Rundfunkjournalisten Schönhuber und seine Truppe so ausgeprägt ist. Bei den Büchern, die im letzten Jahr erschienen sind, handelt es sich überwiegend um sozialwissenschaftliche Werke. Michael Schomers‘ Deutschland ganz rechts, vor zwei Wochen in Bonn der Öffentlichket vorgestellt, unterscheidet sich deutlich von ihnen.
Mit verändertem Namen war der Autor - für die Rep -Mitglieder und deren Sympathisanten als „Theo Schomer“ sieben Monate, von Mitte August 89 bis Ende Februar 90, nicht nur Kölner Parteimitglied. In kürzester Zeit stieg Schomer, Rep-Mitglied 22.955, erst zum Delegierten, dann zum Vertreter im Kölner Schulausschuß und am Ende zum Aufbauhelfer für die Republikaner in der DDR auf. Durchgängig als Tagebuch geschrieben, erschließt sich den LeserInnen die Welt der Republikaner, fernab der von der Parteileitung immer wieder behaupteten Verfassungstreue und Rechtstaatlichkeit. Im Vordergrund stehen die Ereignisse im Kölner Kreisverband, die kleinkarierten Streitereien um Pöstchen und Posten, aber auch die Auseinandersetzungen um die langjährige Vergangenheit einzelner Funktionäre, die unter dem Deckmantel der legalistischen Reps weiter an ihren rechtsextremistischen Zielen festhalten.
Politik wird bei den Republikanern erst in zweiter Linie als klar definierte rechtsradikle Ideologie betrieben. Die nationalpopulistische Partei hat offensichtlich der NPD den Rang als „Durchlauferhitzer“ für die Rechtsradiklen landauf, landab den Rang abgelaufen. Die Republikaner sind mittlerweile das größte Sammelbecken der Rechten in der Bundesrepublik geworden. Entsprechend, so resümiert der Autor im Nachwort seines Buches, finden sich bei den Reps sehr unterschiedliche Gruppen von Mitgliedern. Zum einen die Gruppe, die eine klare politische Strategie verfolgt, und für die die Republikaner der derzeit vielversprechendste Weg sind, ihre Politik der deutschen Rechten zu verfolgen. Ebenso finden sich aber die „Glücksritter“, die der Erfolg von Schönhubers Truppe angezogen hat - mit der Hoffnung, eine schnellere Karriere als in anderen Parteien machen zu können. Darüber trifft sich in der Partei aber eine Vielzahl von Menschen, die sich sozial ungerecht behandelt fühlen, mit Gleichgesinnten, mit denen sie eine einfache Sicherheit schaffende Weltanschauung, simple Erklärungsmodelle und gemeinsame Feindbilder verbindet.
Nach sieben Monaten bei den Reps hat sich für Autor Michael Schomers die rechtsradikale Gruppierung als „Lügenpartei“ entlarvt. Eine demokratische Willensbildung von unten existiert in der Partei nicht. Ist es auf Bundesebene Schönhuber selber, der Parteimitglieder oder ganze Landesvorstände nach Belieben ausschließt beziehungsweise Ausschlüsse rückgängig macht, so wiederholt sich das im kleinen selbst im Kölner Kreisverband. Offen vertreteten wird zudem eine Elitetheorie, das „Recht auf Ungleichheit der Menschen“ proklamiert und darauf aufbauend Ausländerfeindlichkeit und überzogener Nationalstolz nach außen getragen.
Auch der äußere Anschein der Partei, die nicht in die Nähe von rechtsextremistischen Gruppen wie NPD, DVU oder FAP gerückt werden will, erweist sich zunehmend als Illusion. Vertreter der „Neuen Rechten“ werden ebenso wie Mitglieder mit nachgewiesener neonazistischer Vergangenheit geduldet. Aus Opportunitätsgründen werden sie lediglich aus der ersten Reihe zurückgenommen und wegen ihrer langjährigen Erfahrung in politischer Arbeit im hauptamtlichen Funktionärsapparat eingesetzt.
Das Beängstigende an Schomers Fallstudie ist, so schreibt Günther Wallraff in dem Vorwort, daß die Republikaner die Klischees, die in der Öffentlichkeit über sie bestehen, bei weitem übertreffen. Nach außen hin gäben sie sich legalistisch, aber intern hängen sie ihren alten politischen Träumen nach, die auf Ausgrenzung bis hin zur Ausmerzung, auf die letztlich psysische Vernichtung allen Andersartigen, Fremden, auf die Liquidierung des politischen Gegners ausgerichet sind.
Zum Ende gesteht der Autor dennoch ein: „In den sieben Monaten meiner Parteimitgliedschaft hat sich zu einigen Menschen eine persönliche Nähe entwickelt. Wir haben zusammen Politik gemacht, gearbeitet, diskutiert, gelacht und gefeiert (...) Wir haben eine Nähe entwickelt, die zwischen Linken und Rechten normalerweise nicht möglich ist, weil man mit Feinden nicht diskutiert.“ Beinahe schon programmatisch ist die trotzige Hoffnung von Michael Schomers: „Vielleicht gibt es aber doch die Möglichkeit, nun miteinander ins Gespräch zu kommen“.
Wolfgang Gast
Michael Schomers: Deutschland ganz rechts. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 1990, 263 Seiten, Preis: 18,80 DM
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