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Contras stimmen ihrer Entwaffnung zu

Ab dem 25. April soll unter internationaler Kontrolle die Entwaffung in sieben Sicherheitszonen erfolgen / Nach einer durchgearbeiteten Nacht wurde schließlich ein Kompromiß erreicht, mit dem alle leben können / Bis zum 10. Juni muß die Entwaffnung abgeschlossen sein  ■  Aus Managua Ralf Leonhard

Die Entwaffnung der Contras hat endlich ein Datum bekommen, das von den Konterrevolutionären selbst akzeptiert wird. In einem Abkommen mit der sandinistischen Regierung verpflichten sich die rechten Freischärler zum sofortigen Einzug in sogenannte Sicherheitszonen, wo ab dem 25. April der Demobilisierungsprozeß unter internationaler Aufsicht beginnen soll. Spätestens am 10. Juni muß der letzte Contra sein Gewehr abgegeben haben.

Die Sonne war bereits aufgegangen, als die Verhandlungskommissionen am 19. April nach zwei Nachmittagen und einer durchgearbeiteten Nacht ihre Unterschrift unter ein formales Waffenstillstandsabkommen setzten. Das Ergebnis war ein Kompromiß, mit dem alle Beteiligten leben können: die scheidende Regierung der Sandinisten, die kommende unter Violeta Chamorro und die Contras. Der sandinistische Verhandlungsführer General Humberto Ortega wandte seine erfolgreiche Taktik an: Er verließ den Verhandlungstisch nicht, bevor das Abkommen unterschriftsreif war. Oscar Sobalvarro, alias Comandante Ruben, unterschrieb für den Contra-Generalstab die endgültige Auflösung der Organisation, die acht Jahre lang Terror gesät und das Land an den Rand des Bankrotts gebracht hat.

Sowohl die Sandinisten als auch Violeta Chamorro hätten es gerne gesehen, daß die Entwaffnung noch vor dem Amtswechsel stattgefunden oder zumindest begonnen hätte. Daniel Ortega hatte aber seine Nachfolgerin Mittwoch mittag bereits aufgesucht, um ihr zu versichern, daß der Termin für die Übergabe der Präsidentenschärpe auf keinen Fall in Frage gestellt sei. Einige Gewerkschaften und die Studenten der Nationaluniversität traten in Streik, um der Demobilisierungsforderung Nachdruck zu verleihen.

Die Contras wollten den Beginn der Entwaffnung um jeden Preis über den Tag des Regierungswechsels hinauszögern. Denn sie hofften, mit Violeta Chamorro an der Macht, nochmals politische Zugeständnisse herausholen zu können: namentlich die Auflösung der Armee oder zumindest die Entfernung der hohen Offiziere.

Für den Entwaffnungsbeginn am Tag des Amtswechsels sprach letzten Endes auch der technische Aspekt, daß die Beobachtergruppen der Vereinten Nationen einige Tage brauchen, um die 500 bis 600 Mann in die Einsatzgebiete zu bringen. Der Waffenstillstand gilt seit Donnerstag 12 Uhr mittag; für die indianischen Contras an der Atlantikküste wegen der schwierigeren Kommunikation - erst ab Freitag null Uhr. Alle Contras haben sich ab sofort in eine von sieben Sicherheitszonen zu begeben, die insgesamt rund 5.000 qkm bedecken und von der sandinistischen Armee bis Samstag gänzlich geräumt werden. Dort sorgen internationale Beobachter und Kardinal Obando für die Sicherheit der Kämpfer. Ein Gürtel von 20 km um jede dieser Zonen wird entmilitarisiert. Contras und deren Familienangehörige, die sich in den Sicherheitszonen niedergelassen haben, werden von der Internationalen Überwachungskommission mit humanitärer Hilfe versorgt und nach der Entwaffnung sukzessive in ihre Heimatgemeinden transportiert. Das Dokument stellt zwar einen Kompromiß dar, enthält aber die für die Ernsthaftigkeit des Vorhabens wichtigen Elemente: nämlich den sofortigen Beginn des Sammlungsprozesses und einen Abschlußtermin für die Entwaffnung.

Jeder, der nach dem 25. April noch bewaffnet außerhalb der Sicherheitszonen angetroffen wird, „stellt sich außerhalb des Gesetzes“ und müsse mit entsprechenden Reaktionen der Armee rechnen, stellte Humberto Ortega klar. Vielleicht ist es endlich doch gelungen, Nicaragua den Frieden zu bescheren.

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