: Eins zu eins: Besorgt im Osten, empört im Westen
■ taz-Umfrage in beiden Teilen der Stadt: Was halten Sie vom 1:1-Umtausch für Löhne, Gehälter und für Sparguthaben bis 4.000 Mark / Manche, die noch die bundesrepublikanische Währungsreform erlebt haben, zeigen sich hart, andere fordern gleichen Lohn für gleiche Arbeit
Ost-Berlin:
Berufskraftfahrer, 28: Besser als vorher finde ich's auf jeden Fall. Aber die Gehälter müßten sich natürlich erhöhen, sonst machen wir ja Miese. Ich werde dann erst mal sparen, wer weiß, was noch alles auf uns zukommt.
Rentnerin, 62: Wir in meiner Generation erleben das nun zum zweiten Mal, wir können nicht noch mal anfangen. Vieles ist ungeklärt - was wird aus den Preisen für Friseur, Schuhreparaturen, usw. Das ist doch im Westen alles teurer!
Polizeibeamter, 40: 1:1, eine andere Möglichkeit habe ich überhaupt nicht gesehen. Eins verbessert sich auf jeden Fall - daß man nun besser reisen kann. Gerade für Leute mit Kindern gab's ja bei uns wenig Angebote.
Bauzeichnerin, 28: Ich habe zwei kleine Kinder, mein Mann wird vielleicht arbeitslos. Und auch wenn wir unsere Arbeit behalten - bei vielleicht 600 Mark Miete haben wir noch 1.000 Mark. Was wird mit dem Kindergeld, wieviel kostet ein Kindergartenplatz...
Triebfahrzeugführer, 47: Damit bin ich überhaupt nicht einverstanden, es gibt ja schließlich auch Leute, die mehr als 4.000 Mark gespart haben. Und dafür habe ich gearbeitet, ich kann doch nichts dafür, daß alles so anders geworden ist.
Wiss. Mitarbeiterin, 36: Die ganze Diskussion ist doch ziemlich entwürdigend für die DDR. Bei diesem Kurs werden die, die künftig noch Arbeit haben, zu einem Drittel Lohn das gleiche schaffen wie die Leute drüben.
Journalist, 31: Mit 1:1 ist ja unser Produktivitätsabstand ungefähr ausgedrückt. Für die sogenannten sozial schwachen Berufe, also Bibliothekarinnen, Krankenschwestern, meist Frauen, ist das Gehalt natürlich immer noch zu gering.
West-Berlin:
Verkäuferin, 45: Umtauschkurs von 1:1 - das ist ja wohl das allerletzte! Die haben für das Geld doch bei weitem nicht so viel gearbeitet wie wir hier, wenn es nach mir ginge: allerhöchstens 1:3!
Student, 24: Ich find‘ das gut, mit einem anderen Umtauschverhältnis hätten die doch mit ihrem Geld überhaupt nicht mehr auskommen können. Selbst wenn das eine Inflation zur Folge hat: Wir müssen auch gewisse Opfer bringen.
Studentin, 28: Ich finde das überhaupt nicht in Ordnung, aber ich komme sowieso mit diesem ganzen „Zusammenwachsen“ nicht klar. Es gibt viel zuviele Mißstände, die dabei vergessen werden, so leicht haben wir es hier auch nicht. Meine Eltern hatten auch nichts von ihrem Wirtschaftswunder
-jetzt werden sie geschieden, das Haus kommt unter den Nagel, und die Träume sind im Ofen (hohe scheidungsrategeringes umtauschverhältnis? oder was? sezza).
Übersiedler (Nov. 89), 51: Die BRD soll der DDR doch nicht immer in den Arsch kriechen! Wo soll denn da das Geld herkommen, da kann es für uns hier doch nur noch schlechter werden!
Beamter, 52: Wer dieselbe Arbeit hat wie ich, der sollte auch das gleiche Geld bekommen. Deswegen finde ich das völlig in Ordnung, außerdem haben die da drüben ja sowieso nicht so viel.
Zwei Rentnerinnen, 79 und 62 (völlig aufgeregt): Beschissen ist das! Wir haben für den Standard 40 Jahre gebraucht, und die kommen jetzt daher und halten nur die Hände auf! Dann dürfen wir in Zukunft wohl auch Schlange stehen oder was?! Interviews: Susanne Steffen/Martina Habersetzer
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen