: Jedesmal den Kopf aus der Schlinge gezogen
■ Deutsche Gestapo, koreanische Erschießungskommandos und britische Gefängnismauern konnten Blake nicht aufhalten
George Blake, 1922 in Rotterdam geboren, überlebte 1940 die nazideutsche Bombardierung Rotterdams, bei der 30.000 Menschen ums Leben kamen. Wenig später wurde er jedoch von der Gestapo verhaftet und im Konzentrationslager Alkmaar interniert. Es gelang ihm, aus dem KZ zu fliehen und sich dem Widerstand anzuschließen. Als ihm die Gestapo 1942 dicht auf den Fersen war, floh er über Frankreich, Spanien und Gibraltar nach England. Dort meldete er sich freiwillig zum Nachrichtendienst der Marine und wurde bei Kriegsende nach Hamburg versetzt. 1947 übernahm ihn der MI 6, die Auslandsabteilung des britischen Geheimdienstes.
Nachdem Blake ein Jahr Russisch studiert hatte, wurde er 1949 nach Korea geschickt. Später sagte er, daß er zum Kommunismus konvertiert sei, als er die Korruption und Brutalität der Syngman-Rhee-Regierung erlebte. Im Juni 1950 wurde die Angehörigen der britischen Gesandtschaft von nordkoreanischen Truppen gefangengenommen. Blakes Russischkenntnisse retteten ihn vor der Exekution: Das Hinrichtungskommando hatte schon die Gewehre auf ihn angelegt, als er auf Russisch rief: „Ich bin kein Spion, ich bin britischer Diplomat.“ Nach seiner Freilassung 1953 arbeitete Blake weiter für den MI 6 - und inzwischen auch für den sowjetischen Geheimdienst KGB - in London. Zwei Jahre später versetzte ihn seine Dienststelle nach Berlin, wo er ausgerechnet sowjetische Offiziere für den MI 6 anwerben sollte.
Der MI 6 hatte in Zusammenarbeit mit dem CIA den Plan ausgeheckt, von West-Berlin einen Tunnel unter die sowjetische Telefonzentrale im Ostteil zu graben. Blake leitete das Projekt und hielt den KGB über den Stand der Wühlarbeiten auf dem Laufenden. Die Lauscher von CIA und MI 6 wurden monatelang mit Falschinformationen gefüttert. Zu guter Letzt deckten die Sowjets die Existenz des Tunnels auf und sorgten bei den Westspionen für rote Köpfe.
Ein anderer Doppelagent, der polnische Militärspion Oberst Michael Goloniewski, wurde Blake schließlich 1960 zum Verhängnis. Goloniewski verriet den Briten, daß der KGB über eine Namensliste des MI 6 verfüge. Der Verdacht fiel sofort auf Blake. Der war inzwischen jedoch auf einer „Spionageschule“ in Beirut, um Arabisch zu lernen. Ein weiterer Hinweis auf Blakes Verrat kam von dem westdeutschen Doppelagenten Horst Eitner, der 1960 verhaftet worden war. Der CIA bescheinigte den britischen Kollegen nach Blakes Enttarnung hoffnungslose Inkompetenz. Der MI 6 lockte Blake unter dem Vorwand, ihn befördern zu wollen, zurück nach London. Einen Tag nach seiner Ankunft, am 3. April 1961, wurde Blake verhaftet und drei Wochen später angeklagt. Die offiziellen Zeitangaben weisen jedoch zahlreiche Lücken auf. Blake behauptet, daß er zunächst tagelang in einem alten Landhaus festgehalten wurde, während seine Wächter überlegten, ob sie ihn anklagen oder umlegen sollten.
Der Prozeß fand unter Ausschluß der Öffentlichkeit statt. Außerdem wurde eine Nachrichtensperre verhängt. Blake bekannte sich schuldig und wurde am 3. Mai 1961 zu einer in der britischen Geschichte beispiellosen Haftstrafe von 42 Jahren verurteilt. Richter Parker begründete sein Urteil damit, daß Blakes Verrat „viele Bemühungen dieses Landes völlig wertlos gemacht“ habe. Mit anderen Worten: Die Agenten, die für teures Geld ausgebildet und von Blake verraten wurden, mußten zum Innendienst versetzt werden, weil sie als aktive Spitzel unbrauchbar waren. Blake lebt heute in Moskau.
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