Hopfen und Malz noch nicht verloren?

■ Kapitalgesellschaft wird bis Ende Juni gegründet / Gewerkschaftliche Rechte nach gültigem Arbeitsgesetzbuch sollen gesichert werden

Ost-Berlin. Das „Getränkekombinat Berlin“ mit den Betriebsteilen Kindl, Schultheiss, Engelhardt und Spreequell will bis zum 30. Juni eine eigenständige Aktiengesellschaft gründen. Eine Kooperationsvereinbarung mit der Brau und Brunnen AG, einer Gesellschaft mehrerer namhafter Brauereien, Produzenten alkoholfreier Getränke sowie Malzfabriken in der BRD und West-Berlins, soll dabei hilfreich sein.

Der Generaldirektor des DDR-Kombinats, Dr. Siebert, betont, daß eine Absichtserklärung u.a. mit der Westberliner Firma Schultheiss die faire Unterstützung in den Bereichen Marketing, Absatz und Technik beinhalte. Fair bedeute für ihn, daß „Brau und Brunnen“ auch die weitgehende Absicherung der 2.400 Kombinatsangestellten verfolge.

„Wie überall gibt es auch bei uns gewisse Sorgen der Werktätigen um den Erhalt der Arbeitsplätze“, schätzt Dr. Siebert ein. „Dringende Rationalisierung wird den Abbau von Arbeitsplätzen - vor allem in der Verwaltung - verlangen.“ Doch er versichert, daß auch Soziales wie Ferienheime, Kindergarten, Betriebssportgemeinschaft beibehalten werden sollen.

Die Gewerkschaftsarbeit bei Kindl und Co. war nach einem Mißtrauensantrag der Betriebsangehörigen gegenüber der BGL (Betriebsgewerkschaftsleitung) fast völlig am Boden. Auf der VertrauensleuteVollversammlung im Januar wurde deshalb ein Arbeitsstab gebildet, der sich den Ängsten um Arbeitsplätze annimmt und gegen das Ellbogengesetz ankämpft.

Jetzt liegt eine vom Chef bestätigte Rechtsinformation für die Direktoren der Betriebsteile vor, welche von der Rechtsabteilung und dem Arbeitsstab erarbeitet worden ist. Laut noch geltendem Arbeitsgesetzbuch sind darin enthalten: Vor einer fristgemäßen Kündigung muß den „Brauern und Mälzern“ entweder ein Änderungsvertrag oder ein Überleitungsvertrag eventuell mit Umschulung angeboten werden. Bei neuem Arbeitsvertrag unter dem bisherigen Lohnniveau wird ein einmaliges Überbrückungsgeld gezahlt, Kündigungsschutz für werdende Mütter, Frauen im Babyjahr und Alleinerziehende mit Kindern wird garantiert.

Was jedoch auf dem Weg in die Währungs- und Wirtschaftsunion auf die Werktätigen zukommt, kann keiner voraussehen. Sicher für das Getränkekombinat ist, daß mit dem in Berlin-Falkenberg entstehenden Werk, an dem BRD -Marktbeherrscher Coca Cola mit 51 Prozent Kapitalbeteiligung mitverdienen wird, neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Produktionsbeginn nach Siebert: Sommer 91. Ein Abspecken des Verwaltungsapparates sei teilweise durch den Ausbau des Bereiches Absatz abzufangen.

Trotz aller Probleme legt der „General“ gedämpften Optimismus an den Tag. Der entspringt der guten Qualität der Berliner Biere. So wäre der Absatzmarkt zu halten. Der Scharfrichter lauert auf einer anderen Seite.

Die Produktion hat ein zu hohes „Kostenbild“, Werbemittel sind so gut wie nicht vorhanden, und der Staat greift gegenüber der Übermacht ausländischer Firmen nicht regulierend ein. Mit 70-80 Prozent der Kneipen werden die bisherigen Hauptabnehmer des Tankbieres bald dem lukrativen Geschäft der Westfirmen nicht länger widerstehen können. Deshalb fordert die Getränkeindustrie der DDR, in der rund 48.000 Werktätige um ihre Arbeitsplätze bangen, Sonderkredite, Steuererleichterungen, und - ähnlich dem Kartellamt der BRD - Schutz vom Staat, der achtgeben muß, daß keine marktbeherrschenden Monopole entstehen. Der Staat muß den reproduktionsfähigen Betrieben eine Chance geben.

Das Kombinat benötigt ungefähr 50 Millionen DM dafür, schätzt Siebert. „Doch wie können wir aus eigener Kraft finanzielle Mittel erwirtschaften, wenn heute immer noch allein vom Nettogewinn 87 Prozent an den Staatshaushalt abgeführt werden müssen?“ Das mache es fast unmöglich, teure Investitionen, Energie- bzw. Lohnkosten oder die Importe von Kronenkorken bis zu Hopfen und Malz zu decken...

Joachim Hänsch