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Der SAS-Richter und die Fluchthilfe

Erst jetzt, nach über 20 Jahren, sollen Veteranen der britischen Friedensbewegung wegen Fluchthilfe verurteilt werden, obwohl schon damals ihre Tatbeteiligung der Polizei bekannt war  ■  Aus London Ralf Sotscheck

Seit Mittwoch stehen die Veteranen der britischen Friedensbewegung, Michael Randle und Pat Pottle, vor Gericht, weil sie vor über 23 Jahren dem Doppelagenten George Blake zur Flucht aus einem Londoner Gefängnis verholfen haben (siehe taz vom Dienstag). Das Verfahren findet im selben Gerichtssaal des „Old Bailey“ statt, in dem Blake Anfang der sechziger Jahre zu 42 Jahren Haft verurteilt worden war.

Nach Ansicht des Verteidigers Geoffrey Robertson wußte die Polizei bereits 1970 über Randles und Pottles Tatbeteiligung Bescheid. Damals hatte der Ire Sean Bourke, der die Flucht organisiert hatte, ein Buch veröffentlicht, in dem die Identität der beiden nur geringfügig verschleiert worden war. „Die Polizei kannte Einzelheiten, die sogar der trottelige Inspektor Clouseau mit den Angeklagten in Verbindung gebracht hätte.“ Es sei jedoch eine politische Entscheidung getroffen worden, den Fall nicht zu verfolgen. Jetzt werde das Justizsystem mißbraucht, wenn die beiden nach 20 Jahren angeklagt werden. Genau das haben jedoch hundert Tory-Abgeordnete im vergangenen Jahr auf einer Unterschriftsliste gefordert.

Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft ist die Polizei damals völlig ahnungslos gewesen. Ihr sei erst ein Licht aufgegangen, als im Frühjahr 1989 das Buch der Angeklagten, „The Blake Escape“, erschien, in dem die beiden ihre Tatbeteiligung zugegeben haben.

Richter William McPherson, selbst einstmals Kommandeur des 21. Regiments der SAS und heute noch Ehrenoberst dieser britischen Geheimdienstorganisation, machte am ersten Tag der Vorverhandlung keinen Hehl aus seiner Überzeugung, Fluchthilfe sei ein „schweres Verbrechen“. Polizeiliche Dokumente, die die Argumente der Verteidigung erhärten könnten, ließ er „im Interesse der nationalen Sicherheit“ nicht zur Verhandlung zu. Außerdem verweigerte er die Einvernahme des Verfassungsschützers Richard Bird, der den Fall damals leitete. Bird hatte in einem Interview zugegeben, Pottle und Randle seien 1970 zwar verdächtigt worden, die Polizei hätte jedoch von einem Verhör abgesehen, „weil die beiden ohnehin nichts gesagt hätten“.

Die „Internationale Vereinigung der Kriegsdiensverweigerer“ hat in über 20 Ländern Unterschriften für eine Einstellung des Verfahrens „im Interesse der Menschlichkeit und der Vernunft“ gesammelt. Randle war von 1966 bis 1973 Präsident der Organisation. Zu den UnterzeichnerInnen gehören Bischof Dudley, die irische Friedensnobelpreisträgerin Mairead Corraigan, die Schauspielerin Julie Christie und Jan Davan von der CSFR-Demokratiebewegung. Den Angeklagten droht eine Höchststrafe von fünf Jahren.

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