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Ungarns Parlament konstituiert

Budapest (afp) - Das erste demokratisch gewählte Parlament Ungarns seit 1947 ist am Mittwoch in Budapest zu seiner konstituierenden Sitzung zusammengetreten. Es war kurz nach zehn Uhr, als der Sozialist und Ex-Kommunist Matyas Szuros, der seine Ämter als Parlaments- und Interimsstaatspräsident wird abgeben müssen, die Abgeordneten aufforderte, die Nationalhymne anzustimmen. Im Saal herrschte eine große Stille, als anschließend der Schauspieler Sandor Oszter das Gedicht An die Nationalversammlung des berühmten ungarischen Dichters Sandor Petöfi rezitierte, das von der Verantwortung der Parlamentarier bei der Schaffung eines neuen demokratischen Vaterlandes handelt.Auf der zweitägigen Sitzung sollten die 384 anwesenden Abgeordneten - die Vergabe von zwei Mandaten ist noch umstritten - den Parlamentspräsidenten wählen, der für eine Übergangsperiode auch das Amt des Staatschefs ausüben soll. Der Vorsitzende des Demokratischen Forums (MDF), Joszef Antall, der wahrscheinlich neuer Ministerpräsident wird, teilte am Mittwoch auf einer Pressekonferenz mit, daß seine Partei und das Oppositionsbündnis „Allianz der freien Demokraten“ (SZDSZ) sich darauf geeinigt hätten, Arpad Göncz von der SZDSZ für das Parlamentspräsidentenamt vorzuschlagen. Bis zu den Präsidentschaftswahlen soll der 68jährige, der Vorsitzende des ungarischen Schriftstellerverbandes ist, auch das höchste Amt im Staat bekleiden.

Als Vizepräsident schlugen die zukünftige Regierungspartei und die FIDESZ Gyorgy Szabad vom MDF vor. Er soll für Goencz in der Übergangsperiode das Amt des Parlamentspräsidenten ausüben. Beide Parteien wollen nach Angaben Antalls eine Änderung der Verfassung beantragen, damit der künftige Staatschef vom Parlament und nicht direkt durch das Volk gewählt wird. In diesem Fall wollten sie Göncz für die Staatspräsidentschaft vorschlagen und Szabad für den Vorsitz im Parlament, hieß es. Antall wies Gerüchte in der ungarischen Presse zurück, daß die SZDSZ an der Regierungskoalition beteiligt werden sollte. Die Verhandlungen mit der FIDESZ würden jedoch fortgesetzt, bestätigte er. Zu den Ehrengästen der konstituierenden Sitzung gehörte auch Otto von Habsburg.

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