: Minimalisten mit Fingerspitzengefühl
■ Eishockey-WM: Durch ein 4:0 gegen Norwegen entrinnt das bundesdeutsche Team knapp dem Abstieg
Bern (dpa/taz) - Maßarbeit leistete die bundesdeutsche Nationalmannschaft bei der Eishockey-Weltmeisterschaft in der Schweiz. Schon vor Beginn der WM als schwer abstiegsgefährdet eingestuft, tat das stark ersatzgeschwächte Team des zunehmend kränklicheren Xaver Unsinn genau das Allernötigste, um dem Abstieg in die B -Gruppe zu entrinnen. 0:16 Punkte in den ersten acht Partien sorgten für Turbulenzen, Intrigen und einen Trainerwechsel.
Mit Erich Kühnhackl als Chef an der Bande wurden dann in den letzten beiden Spielen exakt die Punkte geholt und die Tore geschossen, die zum Klassenerhalt gebraucht wurden. Das 1:1 gegen die interesselosen Finnen wahrte die Chancen, im abschließenden Spiel gegen Norwegen mußte jedoch ein Vorsprung von vier Toren her, um die Skandinavier an Stelle der Deutschen in den Abgrund rutschen zu lassen. Und siehe da, die BRD gewann just mit 4:0. Minimalisten mit Fingerspitzengefühl.
„Das wird die reinste Nervenschlacht“, hatte Kapitän Udo Kießling vorher prophezeit und er sollte recht behalten. Dabei schien es in den ersten beiden Dritteln so, als würde die Sache recht problemlos über die Bühne gehen. In der 9. Minute schoß Niederberger das 1:0, dem Lupzig in der 14. Minute den zweiten Treffer folgen ließ. Schon nach 36 Minuten war nach Toren von Gerd Truntschka (33.) und Raimund Hilger das Soll erfüllt, dann aber riß der Faden. „Wenn das Ziel erreicht ist, schaltet jeder auf Defensive um, anstatt die gegnerischen Angriffe früh zu stören und weiter die Initiative zu ergreifen“, analysierte Gerd Truntschka später, „so kam es im Schlußdrittel zu einer reinen Abwehrschlacht.“
Zum Helden des letzten Abschnitts wurde Torhüter Helmut de Raaf, der die permanent auf ihn einprasselnden Schüsse der verzweifelt angreifenden Norweger allesamt hielt. „Ein Gegentor hätten wir wohl nicht mehr verdaut“, ist Gerd Truntschka überzeugt, doch selbst als die Skandinavier 72 Sekunden vor Schluß den Torwart herausnahmen und mit sechs Spielern stürmten, war de Raaf nicht zu bezwingen.
Großen Anteil am glücklichen Abschluß einer verkorksten WM hatte der anfangs höchst umstrittene Kühnhackl. Er formierte die Blöcke neu und stellte dadurch größere Harmonie her. Gerd Truntschka: „Auf einer WM ist es zu spät und falsch, mit Formationen zu experimentieren, die vorher kaum zusammengespielt haben. Kühnhackls Verdienst war, daß er in Abstimmung mit der Mannschaft wieder zu Vereinsblöcken zurückgekehrt ist.“ Ein weiterer Fehler sei gewesen, daß am Anfang in den Spielen gegen die Großen, die alle mit ehrenwerten Niederlagen endeten, zu viel Kraft verpulvert worden sei.
Aufatmen kann der Internationale Eishockey-Verband, dem bei einem Abstieg der Deutschen Einnahmen in Millionenhöhe entgangen wären. Nach Auffassung von Fedor H. Radmann, dem Geschäftsführer der Schweizer Werbeagentur, die die WM vermarktet, hätten „zwangsläufig weniger Fernsehübertragungen in der Bundesrepublik das Interesse der deutschen Sponsoren“ enorm reduziert.
Obwohl der bittere Kelch noch einmal vorüberging, ist den Funktionären des bundesdeutschen Eishockeys der Schreck mächtig in die Glieder gefahren. Bereits in der nächsten Woche tagen das Präsidium des Deutschen Eishockey-Bundes und Bundesligavertreter, am 11. Mai findet ein außerordentlicher Verbandstag statt. Welchen Weg zur Problemlösung die Aktiven bevorzugen würden, spricht Gerd Truntschka aus: „Die Spieler müssen mehr Geld für Länderspieleinsätze und die Teilnahme an einer WM bekommen.“
Matti
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